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Runen

Runen

Titel: Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elias Snæland Jònsson
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von Trittenheim und von Ramstein mit dem U-Boot auf dem Foto im September 1944 in Norwegen in See gestochen sind und dass H. Steingrim alias Höskuldur Steingrímsson ebenfalls mit dabei war. Eigentlich ist das sogar die einzige stichhaltige Erklärung dafür, weswegen er dieses Foto bei sich hatte. Das U-Boot brachte Ihren Großvater nach Island, so viel ist sicher, aber was ist aus den anderen SS-Leuten geworden? Sind auch sie in Island an Land gegangen, oder ist das U-Boot zu einem neuen Ziel weitergefahren? Und wenn ja, wohin? Die Beantwortung dieser Fragen so schnell wie möglich ist ihnen ein äußerst dringliches Anliegen.«
    »Im Tagebuch steht, dass die beiden Deutschen an Bord des U-Bootes waren«, sagte Melkorka. »Leider gibt es aber keine Hinweise auf ihr endgültiges Ziel.«
    Houston ließ den Duft des französischen Cognacs auf sich wirken, den er sich zum Kaffee bestellt hatte, und überlegte.
    »Hat Ihr Großvater irgendwelche weiteren Notizen oder Briefe aus der Kriegszeit hinterlassen?«, fragte er und blickte Melkorka über das bauchige Glas hinweg an.
    »Nein«, antwortete sie. »Wo, glauben Sie, ist es am wahrscheinlichsten, dass die deutschen SS-Männer an Land gehen sollten?«
    »Schwierig, eine Antwort auf diese Frage zu geben«, meinte der Professor. »Wenn sie zu Kriegsende geflohen wären, wäre es einfacher, sich eine Vorstellung von ihrem möglichen Ziel zu machen. Damals gab es eine Art Schnellstraße |160| für Kriegsverbrecher der SS über den Vatikan in Rom nach Südamerika, gerne auch mit Unterstützung des amerikanischen, britischen und französischen Geheimdienstes. Sie rechtfertigten ihre Hilfe mit dem Kampf gegen den Kommunismus, so merkwürdig sich das heute auch anhören mag. Abertausende von SS-Angehörigen ließen sich in Argentinien, Chile und anderen Ländern Südamerikas nieder. Andere richteten sich in den USA, in Großbritannien, Kanada oder in Spanien ein behagliches Leben ein. Bis in die siebziger Jahre befand sich Spanien unter der Diktatur Francos. Und schließlich gab es ja noch die vielen, die während der ersten Jahre des Kalten Krieges völlig unbehelligt in Deutschland oder Österreich lebten. Nur ein Drittel der schätzungsweise 150   000 Deutschen, die im Zweiten Weltkrieg Kriegsverbrechen begangen haben, wurden danach überhaupt dingfest gemacht. Und noch viel weniger wurden dann auch vor Gericht gestellt, wenn die Einschätzung eines deutschen Staatsanwalts richtig ist, der sich damit sehr gut auskennt.«
    »Die große Abrechnung nach dem Krieg war eine Geschichte gebrochener Versprechen«, fügte Susan bitter hinzu. »Zehntausende von Nazis haben die Fabriken des Todes erbaut und betrieben. Und sie haben Millionen geschwächter Gefangener schändlichst ausgebeutet, um die Maschinerie der deutschen Militärmacht am Laufen zu halten. Sie raubten den Juden ihr Eigentum, angefangen bei Unternehmen, Immobilien, Landbesitz und Kunstwerken bis hin zu Kleidung und Zahngold, einfach alles, und brachten sie dann wie Vieh in Schlachthäusern erbarmungslos um. Die SS-Männer, die diese Massenmaschinerie des Todes betrieben, hatten es nicht verdient, nach |161| Ende des Krieges am Leben zu bleiben. Aber anstatt diese Mörder zu bestrafen, machte unsere eigene Administration Tausende von ihnen zu ihren Anhängern. Alles im Namen der Demokratie und der Freiheit. Sie wandte allerlei Tricks an, um deren Verbrechen und Namen vor dem amerikanischen Volk zu verschleiern. Ein fürchterlicher Verrat war das an den Opfern, ein abscheulicher Verrat an den unschuldigen Kindern, den Frauen und Männern, die in den Vernichtungslagern umgebracht worden sind, ein Verrat, der niemals verziehen werden kann, ebenso wenig wie das monströse Verbrechen selbst.«
    Melkorka sah, wie Susans Wangen vor Erregung um so röter anliefen, je länger diese völlig ungeschminkte Anklagerede dauerte. Danach aber wurde sie unvermittelt kreideweiß. Ein Asthmaanfall bedrängte sie. Sie nahm eine Dosis des Medikaments, worauf die Atemkrämpfe allmählich nachließen.
    »Es scheint, dass von Trittenheim und von Ramstein ein halbes Jahr vor der Kapitulation der Nazis vor der amerikanischen Streitmacht auf den Atlantik hinausgeschickt wurden«, nahm Houston nach einer Weile den Faden wieder auf. »Daher ist völlig unklar, wohin sie fahren sollten, obwohl es am wahrscheinlichsten ist, dass sie nach Kanada gebracht werden sollten und von da aus weiter in die USA. Ob das U-Boot sie dort abgeliefert hat oder

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