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Runen

Runen

Titel: Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elias Snæland Jònsson
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noch keine Mobiltelefonnummer auf ihren Namen gefunden.«
    »Was sagen die Eltern?«
    »Ámundi hat nicht abgenommen, da er im Augenblick ein Plädoyer vor dem Obersten Gerichtshof hält und dort noch den ganzen Tag bleiben wird. Ich habe aber mit Herdís gesprochen. Sie ist Pflegefachkraft und hat erst nachmittags Schicht.«
    |243| »Wir werden ihr einen Besuch abstatten. Kündige uns mal an bei ihr«, wies sie der Hauptkommissar an und stand abrupt auf.
    Zwanzig Minuten später fuhren Erna und Guðjón vor einem großen Einfamilienhaus in Arnarnes vor, einem Nobelviertel von Garðabær. Es lag an der Küste, und jenseits der ruhigen Bucht war Bessastaðir zu erkennen, der Sitz des isländischen Staatsoberhauptes.
    Herdís Sigurjónsdóttir war um die fünfzig, großgewachsen und ausgesprochen schlank. Sie hatte rötlichbraunes Haar und braune Augen. Sie gürtete den rosaroten Bademantel enger um sich und musterte unfreundlich die Polizeibeamten vor sich.
    »Ich habe euch doch schon gesagt, dass Ragna nicht zu Hause ist«, murrte sie.
    »Dürfen wir reinkommen?«, fragte der Hauptkommissar.
    »Meinetwegen.«
    Sie wies sie in das Wohnzimmer und bot ihnen einen Platz in mächtigen Ledersesseln an. An den Wänden hingen einige große Landschaftsgemälde in vergoldeten Rahmen.
    »Wir müssen unbedingt mit deiner Tochter sprechen«, sagte Guðjón. »Weißt du, wo sie sich aufhält?«
    »Nein«, antwortete Herdís. »Warum?«
    »Wir suchen ihre Freundin, Sigríður Jóhanna Angantýsdóttir. Kennst du sie?«
    »Doch, schon«, sagte Herdís. »Sie war mit Ragna ein paar Mal hier.«
    »Könnten sie sich im Augenblick irgendwo zusammen aufhalten?«
    |244| »Keine Ahnung.«
    »Geht Ragna oft fort, ohne dass du weißt, wohin?«
    »Natürlich. Sie ist eine erwachsene Frau und lebt ihr eigenes Leben.«
    »Aber sie wohnt trotzdem hier?«
    »Ja. Formal gesehen zumindest schon. Sie schläft oft auch im Atelier.«
    »Was für ein Atelier?«
    »Wie du vielleicht weißt, ist Ragna Künstlerin«, antwortete Herdís. »Sie hat in Hafnarfjörður ein großes Atelier.«
    »Hat sie dort ein Telefon?«
    »Nein, aber Ragna hat manchmal ein Handy dabei.«
    »Hast du die Nummer?«
    »Natürlich, sie ist meine Tochter«, schnappte Herdís.
    »Würdest du sie bitte für uns anrufen?«
    Herdís zögerte.
    »Ich glaube, ich sollte zuerst mit Ámundi reden«, sagte sie.
    »Soweit mir bekannt ist, hat Ragna nichts verbrochen«, sagte Guðjón. »Aber sie könnte wissen, wo sich Sigríður aufhält, und es ist für die Ermittlungen in einem dringenden Fall von äußerster Wichtigkeit, Sigríður so schnell wie möglich zu finden.«
    »Also gut.«
    Herdís stand auf, ging in den Flur hinaus, kam mit dem Handy zurück und setzte sich in einen Sessel. Sie wählte und wartete eine Weile mit dem Telefon am Ohr.
    »Ragna antwortet nicht«, sagte sie schließlich und ließ das Telefon sinken.
    »Was ist das für eine Beziehung zwischen Ragna und Sigríður?«, fragte Erna.
    |245| »Sie sind Freundinnen. Ganz normal.«
    »Weißt du, wie sie sich kennengelernt haben?«
    »Nein.«
    »Wo ist Ragna politisch angesiedelt?«
    »Was hat das denn mit der Sache zu tun?«
    »Weißt du es nicht?«, beharrte der Hauptkommissar.
    »Nirgends, glaube ich«, sagte Herdís.
    »Fällt dir irgendein Ort ein, wo die beiden Frauen gerade sein könnten?«
    Herdís zuckte mit den Schultern.
    »Dürfen wir uns dann mal ihr Atelier ansehen?«, fragte Guðjón.
    Herdís stand auf: »Ich rufe jetzt doch Ámundi an.«
    Der Oberstaatsanwalt nahm sofort ab.
    Als sie ihm von dem Besuch der Polizeibeamten berichtet hatte, gab sie das Telefon an den Hauptkommissar weiter: »Er will dich sprechen.«
    »Was zum Teufel ist los?«, fragte Oberstaatsanwalt Ámundi in tiefem Bass.
    In wenigen Worten erklärte ihm Guðjón, weswegen es der Polizei so wichtig war, mit Ragna zu sprechen.
    »Meine Frau und ich wissen nichts von dieser Sigríður. Nur dass sie eine der vielen Freundinnen unserer Tochter ist«, erklärte der Jurist.
    »Niemand wirft deiner Tochter irgendetwas vor«, sagte Guðjón. »Aber wir versuchen, ein kleines Kind zu retten, bevor es zu spät ist.«
    »Ein Kind?«, fragte Herdís. »Hat Sigríður was mit dem Kind zu tun, das da in Kópavogur entführt wurde?«
    »Möglicherweise«, bestätigte Erna.
    »Absoluter Blödsinn, daran zu denken, dass unsere |246| Tochter an so einer Angelegenheit beteiligt sein könnte«, knurrte Ámundi. »Wie seid ihr denn auf diese dumme Idee

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