Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Runen

Runen

Titel: Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elias Snæland Jònsson
Vom Netzwerk:
Telefonzelle an der Bushaltestelle und rief zu Hause in Island an.
    »Na Gott sei Dank!«, rief Kári höchst erregt. »Wo steckst du denn?«
    Melkorka merkte sofort, dass etwas nicht stimmte.
    »Was ist los?«, fragte sie besorgt.
    »Es ist schrecklich«, antwortete er. »Einfach schrecklich.«
    »Was ist denn passiert, sag schon!«, drängte sie ängstlich.
    »Darri ist verschwunden.«
    »Was?«
    Kári musste die Nachricht mehrmals wiederholen, bis Melkorka überhaupt kapierte, was er ihr da Unglaubliches begreiflich zu machen versuchte.
    Ihr kleiner Sohn war weg. Spurlos verschwunden.
    Der Boden unter ihren Füßen schien nachzugeben, so sehr wühlte der Schrecken in ihr. Heftige Selbstvorwürfe mischten sich in ihre Angst. Darri war entführt worden, während sie in der ganzen Welt den närrischen Hirngespinsten ihres Großvaters nachjagte.
    |251| »Diese Deutsche da, diese Greta Schneider, die hat ihn entführen lassen, um an die Dokumente aus diesem verfluchten Adlerhorst zu kommen«, sagte Kári. »Sie verlangt sie im Austausch für Darri. Hast du sie?«
    »Ja, ich habe sie gefunden.«
    »Endlich mal eine gute Nachricht.« Kári atmete auf. »Du musst dein Handy einschalten. Sie wollen dich noch mal anrufen und dir sagen, wo du die Dokumente übergeben sollst.«
    Melkorka beschloss, mit dem Bericht von ihren nächtlichen Strapazen noch zu warten.
    »Ich habe mein Handy verloren«, sagte sie müde.
    »Dann kauf dir ein neues und gib mir die Nummer.«
    »Sucht denn niemand nach Darri?«, fragte Melkorka verzweifelt vor Sorge.
    »Doch, natürlich. Fast ganz Island ist auf den Beinen. Erna hat mir versichert, dass sie den Entführern auf die Spur gekommen sind.«
    »Gott sei Dank.«
    »Wann kommst du heim?«
    »Mit dem ersten Flieger, den ich kriege.«
    Wie gelähmt hängte Melkorka den Telefonhörer ein. Sie versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Wenn sie Darri aus den Fängen dieser Verbrecher zurückbekommen wollte, musste sie die richtigen Entscheidungen treffen.
    Im Moment hatte für sie eine Sache oberste Priorität: die Dokumente aus dem Adlerhorst schleunigst in Sicherheit zu bringen. Nur so konnte sie sich ihre Verhandlungsposition den Entführern gegenüber sichern.
    Melkorkaging in die Damentoilette, schloss sich in einer Kabine ein und ließ sich auf den Toilettendeckel sinken. |252| Sie öffnete den Rucksack. Die drei Umschläge, die mehr als sechs Jahrzehnte im Adlerhorst verborgen gelegen hatten, waren versiegelt und in deutscher Sprache als STRENG VERTRAULICH gekennzeichnet. Sie brach ein Siegel nach dem anderen auf und sah den Inhalt flüchtig durch.
    Im ersten Umschlag lag ein kleines Heft aus Pergament mit Runen verziert. Daneben stand in gotischen Lettern auf Isländisch und Deutsch: Rúnagaldur Gotatýs – Gotatýrs Runenlied.
    Melkorka überflog die isländischen Erläuterungen. Dann wandte sie sich den beiden anderen Umschlägen zu. In beiden waren mehrseitige maschinengeschriebene Berichte enthalten. Sie waren auf Briefpapier aus Himmlers Privatbüro geschrieben:
Persönlicher Stab Reichsführer-SS
.
    Deutsch hatte nie zu Melkorkas Lieblingsfächern auf dem Gymnasium gezählt. Deswegen konnte sie sich nur mit Mühe durch die Dokumente buchstabieren. Langsam, aber sicher bekam sie jedoch eine Vorstellung von ihrem Inhalt. Aus dem, was sie zu verstehen glaubte, schloss sie, dass Robert M. Houston in gewisser Weise recht gehabt hatte. Himmlers Gesandte hatten an Bord des U-Bootes viele Kisten voll Gold mitgenommen, das in den Tiegeln der Deutschen Reichsbank eingeschmolzen und in Barren gegossen worden war. Der amerikanische Professor hatte jedoch keine präzise Vermutung geäußert, wofür die SS-Leute den mittlerweile verschollenen Goldschatz hätten verwenden sollen – wenn und falls sie überhaupt über den Nordatlantik bis nach Amerika gelangt waren.
    Melkorka zerbrach sich den Kopf darüber, wie sie es am besten anstellen sollte, die Geheimdokumente bis zum Austausch gegen Darri sicherzustellen.
    |253| Sie musste damit rechnen, dass Greta Schneiders Helfershelfer die Busbewegungen am Kehlstein beobachteten. Vielleicht waren sie bereits ganz in der Nähe und suchten nach ihr?
    Sollte sie den Rucksack in einem Schließfach auf dem Busbahnhof verwahren? Aber was tat sie dann mit dem Schlüssel?
    Nach längerem Hin- und Her-Überlegen schlich sie sich ins Postamt, legte das Runenlied und Himmlers Dokumente in eine Pappschachtel, die sie per Einschreiben an Aðalsteinn Indriðason,

Weitere Kostenlose Bücher