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Runenschild

Titel: Runenschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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auch Patrick senkte den
Blick auf seinen Teller und begann nun mit Heißhunger zu
essen, sodass sich Lancelot wieder Gwinneth zuwenden
konnte. »Dir fehlt auch wirklich nichts?«, fragte er.
»Nein«, antwortete Gwinneth ohne zu ihn anzusehen.
»Ich fühle mich gut, keine Sorge.«
Das hatte Lancelot nicht unbedingt gemeint und Gwinneth schien das zu wissen, aber er hatte ihre Antwort auch
verstanden. Das, worüber sie reden mussten, war nicht
unbedingt für die Ohren anderer bestimmt. Lancelot räusperte sich unbehaglich, spießte eine dünne Scheibe knusprig gebratenes Fleisch mit der Spitze seines Messers auf
und betrachtete es interessiert, machte aber keine Anstalten, zu essen. »Wenigstens sind wir in Sicherheit. Ich hatte
schon fast vergessen, wie es ist, im Schutz mächtiger
Mauern zu schlafen und unter der Obhut von Menschen,
denen man vorbehaltlos trauen kann.«
»Von dem ausgezeichneten Essen ganz zu schweigen«,
pflichtete ihm Patrick bei. Wieder warf ihm sein Bruder
einen fast drohenden Blick zu und Patrick hatte wohl endgültig verstanden, denn er deutete ein entschuldigendes
Achselzucken an und konzentrierte sich dann wieder ganz
auf sein Essen.
Eine Zeit lang beschäftigte sich auch Lancelot intensiv
mit nichts anderem als seiner Mahlzeit, und obwohl er die
ersten Bissen fast mit Widerwillen hinunterwürgen musste, weckte der Geschmack doch rasch seinen Hunger. Bald
musste er sich beherrschen um nicht zu schlingen, und
obgleich er in einem Gasthaus aufgewachsen war und Bier
und Wein fast gleichzeitig mit der Muttermilch kennen
gelernt hatte, stieg ihm der schwere, süße Wein doch bald
zu Kopf. Er war nicht betrunken, fühlte sich jedoch auf
eine sonderbar angenehme Weise entspannt und auch ein
wenig schläfrig, und auch das war etwas, was er viel zu
lange vermisst hatte. Seit dem Beginn ihrer verzweifelten
Flucht aus Camelot hatte er sich im Grunde niemals wirklich entspannen können, niemals wirklich sicher gefühlt,
ganz egal, wo und in wessen Gesellschaft.
Plötzlich glaubte er besser zu verstehen, warum Gwinneth diese Burg stets ihre Heimat genannt hatte. Trotz der
Düsternis und Leere, die die riesigen Räume erfüllten,
strahlten ihre uralten Mauern und trutzigen Wälle ein Gefühl von Sicherheit aus, das auch er spürte. Und sei es
vielleicht auch nur, weil irgendetwas in ihm verzweifelt
genau danach suchte: Einen Ort, an dem er sich sicher
fühlen konnte, an dem er nicht ständig vor einer Gefahr
auf der Hut sein, nicht unentwegt nach einem Fluchtweg
Ausschau halten und nicht in jeder Sekunde wachsam
bleiben musste. Ein Zuhause.
Nachdem sie ihre Mahlzeit beendet hatten, begann sich
ein unangenehmes Schweigen zwischen ihnen auszubreiten. Lancelot bedauerte es längst, nicht dort Platz genommen zu haben, wo Iven für ihn gedeckt hatte – seine allzu
große Nähe war Gwinneth unangenehm, und auch wenn
ihn diese Erkenntnis schmerzte, konnte er es doch verstehen. War schon er nach dem Erlebten mit seinen Kräften
vollkommen am Ende, wie erst mochte es Gwinneth da
ergehen? Obwohl ihm der Wein immer deutlicher zu Kopf
zu steigen begann, goss er sich einen zweiten Becher ein,
trank jedoch nicht, sondern drehte ihn nur einen Moment
scheinbar nachdenklich in den Fingern und hob ihn dann
in Gwinneths Richtung. Einen Herzschlag lang war er
überzeugt davon, dass sie ihn einfach ignorieren würde,
dann aber gab sie sich einen sichtbaren Ruck, griff nach
ihrem eigenen Pokal und erwiderte seine Geste, und Lancelot zwang sich zu dem flehendsten Lächeln, das er zustande bringen konnte. Gwinneth wirkte irritiert, fast erschrocken. Sie senkte den Kopf, doch Lancelot ließ ihren
Blick nicht los und plötzlich sah Gwinneth fast gequält
aus. Sie tat ihm Leid. Lancelot war klar, welches Unbehagen er ihr bereitete, aber zugleich spürte er auch, dass er jetzt mit ihr reden musste, wollte er nicht Gefahr laufen,
sie vielleicht nie wieder wirklich zu erreichen.
»Du hast mir noch gar nicht erzählt, wie es dir auf dem
Weg nach Tintagel ergangen ist«, sagte er.
»Da gibt es nicht viel zu erzählen.« Es war nicht Gwinneth, die antwortete, sondern Patrick, und Lancelot ließ
geschlagene fünf Sekunden verstreichen, ehe er betont
langsam den Kopf drehte und den jungen Iren mit einem
eisigen Blick bedachte. Patrick wirkte irritiert, plapperte
aber dennoch fröhlich weiter: »Wir haben den Kampflärm
gehört und sind …«
»Es ist spät geworden, Patrick«, fiel ihm

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