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Runenschild

Titel: Runenschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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in sich spürte er, dass die Veränderung schon längst begonnen hatte – wenn auch vielleicht auf eine völlig andere
Art, als ihm jetzt schon klar sein mochte. Er fürchtete und
hasste die schwarze Fee noch immer wie niemanden sonst
auf der Welt und er war entschlossener denn je, Gwinneths
Leben und Freiheit um jeden Preis zu verteidigen, und
trotz allem verspürte er auch Artus gegenüber keine wirkliche Feindschaft.
    Und doch … irgendetwas war geschehen, als er das Elbenschwert benutzte.
Wie zufällig glitt sein Blick zum Kaminssims und tastete
über die schlanke, wunderschön verzierte Klinge und wie
jedes Mal, wenn er sie betrachtete, ergriff ihn eine Mischung aus Bewunderung und Ehrfurcht. Er hätte Excalibur nicht kennen müssen um zu wissen, dass dieses
Schwert sein Bruder war, geschmiedet von derselben
Hand und erfüllt von der gleichen unheimlichen Magie.
Aber zum ersten Mal fragte er sich, ob auch auf Excalibur derselbe Fluch lastete, ob das Runenschwert wirklich
der dunkle Bruder von Artus’ Klinge war, ob sie vielleicht
nicht vielmehr gleich waren und die Macht, die ihrem
Träger annähernde Unbesiegbarkeit verlieh, nicht auch
von Excaliburs Besitzer denselben viel zu hohen Preis
forderte.
Er verscheuchte den Gedanken, schon weil ihn die Antwort darauf erschreckt hätte. Stattdessen zog er sich rasch
zu Ende an, trat aber dann noch einmal ans Fenster, statt
seine Kammer zu verlassen, und blickte auf den Hof hinab.
Lancelot erlebte eine Überraschung. Gestern Abend war
Tintagel praktisch verlassen gewesen; jetzt zu sagen, dass
die Burg von Menschen wimmelte, wäre zweifellos übertrieben – aber er sah doch ein gutes Dutzend Männer und
Frauen, die emsig hin- und herhasteten, zwei beladene
Fuhrwerke neben dem offen stehenden Tor und eine Anzahl Pferde, die offensichtlich gerade erst angekommen
waren, denn ihre Leiber dampften in der Kälte. Gedämpfte
Stimmen drangen an sein Ohr und ein Geräusch, das möglicherweise seit Jahren nicht mehr in diesen Mauern zu
hören gewesen war: Das helle Lachen eines Kindes. Sean
hatte nicht übertrieben.
Ohne zu zögern verließ Lancelot seine Kammer und eilte
mit raschen Schritten die Treppe hinab. Schon auf halbem
Wege schlugen ihm die Geräusche eines Hauses entgegen,
das alles war, nur nicht verlassen und von seinen Bewohnern aufgegeben. Das Feuer unten im Kamin brannte nicht
nur immer noch, sondern loderte jetzt sogar heller als am
vergangenen Abend, und auf dem Weg nach draußen kamen ihm zwei Männer in schneeverkrusteten Mänteln entgegen, die hoch mit Lebensmitteln beladene Körbe auf
den Schultern trugen.
Lancelot eilte schnurstracks auf sie zu und verschwendete gar keinen Gedanken daran, dass sie etwa nicht zur Seite gehen könnten, aber die beiden blickten ihm nur stirnrunzelnd und unter dem Ausdruck leiser Verwirrung entgegen und machten keine Anstalten, ihm Platz zu machen.
Ganz im Gegenteil: Als auch Lancelot nicht auswich, sondern ein ärgerliches Gesicht aufsetzte und seine Schritte
sogar noch beschleunigte, streckte der eine plötzlich den
Arm aus und versetzte ihm einen so derben Stoß, dass er
zwei Schritte rückwärts stolperte und beinahe gestürzt
wäre.
»Was …?«, begann Lancelot, kam aber nicht dazu, seinem Ärger Luft zu machen.
»Pass doch auf, wo du hinläufst, Tölpel!«, fuhr ihn der
Ältere der beiden an. »Hast du nichts zu tun? Mach dich
nützlich oder es setzt eine Tracht Prügel!«
Im ersten Moment stieg rasender Zorn in Lancelot hoch,
aber noch bevor er auch nur ein Wort sagen konnte, wurde
ihm klar, was er für diese Männer war: Nicht Sir Lancelot,
nicht der neue Herrscher über dieses Haus, nicht einmal
ein Mann , sondern nur ein noch nicht ganz erwachsener
Junge in zerschlissenen Kleidern, der in seine Schranken
gewiesen werden sollte.
Plötzlich musste er lachen. Es war lange her, dass ihn
jemand so behandelt hatte, und er erinnerte sich gut, sich
oft geschworen zu haben, sich nie wieder so niedermachen
zu lassen – und gleichzeitig begriff er, wie sehr es ihm
gefehlt hatte, als Gleicher unter Gleichen zu leben, einfach
nur ein Mensch zu sein, den man zur Kenntnis nahm oder
auch nicht, nichts Außergewöhnliches und vor allem niemand, den man fürchten musste.
Der Mann, der ihn beinahe niedergeworfen hatte, runzelte noch ärgerlicher die Stirn und Lancelot hätte sich nicht
gewundert, wenn er ihm die angedrohten Prügel nun tatsächlich hätte verabreichen wollen, aber sein

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