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Runenschild

Titel: Runenschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Sean ins Wort,
gähnte übertrieben und hielt sich mit noch übertriebenerer,
unbeholfener Gestik die Hand vor den Mund. »Ich schlage
vor, dass wir uns zurückziehen und schlafen. Wir haben
morgen einen anstrengenden Tag vor uns.«
»Aber …« Patrick runzelte die Stirn, deutete den fast beschwörenden Blick seines Bruders dann endlich richtig
und sah mit einem Male verlegen aus. Fast hastig stand er
auf. »Du hast natürlich Recht, Sean. Bitte entschuldigt
uns. Ich wäre gern noch geblieben, aber es ist tatsächlich
schon sehr spät.«
Gwinneth machte keinen Hehl aus ihrer Enttäuschung,
während Lancelot nur ein Nicken andeutete und stumm
abwartete, bis die beiden Iren gegangen waren und ihre
Schritte oben auf der Treppe verklangen. Er trank nun
doch noch einen – winzigen – Schluck, stellte den Becher
mit einer bedächtigen Bewegung vor sich auf den Tisch
und wandte sich dann wieder Gwinneth zu. Er rechnete
fest damit, dass sie wieder zu Boden oder auch auf ihren
Teller oder ihren Pokal starrte, aber sie hatte all ihren Mut
zusammengenommen und sah ihm fest in die Augen. Lancelot versuchte vergeblich in ihrem Blick zu lesen. Da
waren noch immer Furcht und Unsicherheit, aber auch
noch etwas anderes; etwas, das ihm Hoffnung gab.
»Ich muss mich bei dir entschuldigen, Gwinneth«, begann er. »Ich hätte gleich zu dir kommen sollen, schon
gestern Abend, ich weiß. Doch ich war … erschöpft.«
Nur erschöpft?, fragte Gwinneths Blick. Ganz leise und
mit tonloser, aber bebender Stimme sagte sie: »Ist es wahr,
was Patrick erzählt hat?«
»Was hat er denn erzählt?«
»Dass du sie alle erschlagen hast«, flüsterte Gwinneth.
»Die Pikten. Das ganze Lager.«
»Alle?« Lancelot hob die Schultern. Er schwieg einen
Moment. Und als er weitersprach, war er es, der ihrem Blick auswich. »Ich weiß nicht, ob es alle waren. Aber es
waren viele. Zu viele.«
»Also hast du das Schwert benutzt.«
»Ja.«
»Also hat Morgaine gewonnen.«
Hätte sie ihm einen Dolch ins Herz gestoßen, der
Schmerz hätte nicht schlimmer sein können. »Glaubst
du?«, fragte er bitter.
»Du weißt, was sie gesagt hat«, murmelte Gwinneth. Sie
hatte die Hände nebeneinander auf die Tischplatte gelegt
und presste sie so fest nieder, dass auch noch das letzte
bisschen Blut aus ihren Fingern wich; zweifellos um ihr
Zittern zu unterdrücken. »Noch ein Tropfen unschuldiges
Blut, das du mit diesem Schwert vergießt …«
»Ich weiß, was sie gesagt hat«, unterbrach sie Lancelot
schärfer und lauter, als er beabsichtigt hatte. Gwinneth
verstummte auf der Stelle und sah ihn fast ängstlich an
und Lancelot bedauerte seine eigenen Worte sofort.
Nach einer Pause und hörbar leiser fuhr er fort: »Aber
vielleicht hat sie sich ja geirrt. Wer weiß – vielleicht hat
sie ja auch gelogen.«
»Und wenn nicht?«
»Ich bin hier, oder?«
»Ja«, antwortete Gwinneth. »Aber ich weiß nicht, wer du
bist.«
Darauf konnte Lancelot nicht antworten, jedenfalls nicht
gleich. Und wie auch – er kannte die Antwort ja selbst
nicht. Lange, endlos lange quälende Sekunden saßen sie
sich schweigend gegenüber, doch schließlich streckte
Lancelot zögernd die Rechte aus und griff nach ihrer
Hand. Gwinneth sog hörbar die Luft zwischen den Zähnen
ein, aber dieses Mal versuchte sie nicht sich seinem Griff
zu entziehen, und als er sie berührte, schien sie sich sogar
deutlich zu entspannen.
Trotz der schon fast unangenehmen Hitze, die das Kaminfeuer in ihrem Rücken ausstrahlte, waren ihre Finger
eiskalt und er konnte spüren, wie schnell ihr Herz schlug.
»Ich bin noch immer ich selbst, Gwinneth«, sagte er leise. »Was immer Morgaine Le Faye mit ihren Worten gemeint hat – es ist nicht geschehen.«
»Aber du hast all diese Krieger erschlagen.«
»Und ich bin nicht stolz darauf.« Fast, als müsse er sich
selbst beweisen, dass er die Wahrheit sagte, glaubte er
noch einmal die Augen des verletzten Barbarenkriegers
vor sich zu sehen, und ein rascher, aber eisiger Schauer
lief ihm über den Rücken. Etwas leiser und mit trauriger,
dennoch aber sehr fester Stimme, fuhr er fort: »Trotzdem
würde ich es wieder tun, wenn ich es müsste um dich zu
retten.«
Gwinneth entzog ihm nun doch seine Hand, aber er spürte, dass sie es nicht tat, weil ihr seine Berührung unangenehm gewesen wäre, sondern einzig weil sie es einfach
nicht mehr aushielt, stillzusitzen. »Du würdest so viele
Leben auslöschen, um ein einziges zu retten? Was

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