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Runenschild

Titel: Runenschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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bestimmten Quelle kam. Die Decke erhob sich
mindestens zehn Meter hoch über ihren Köpfen, und sowohl die Wände als auch der Boden waren frei von Eis
und Schnee, denn es war unerwartet warm hier drinnen.
Unter dem Heulen des Sturmes und der Brandung, die zu
ihnen hereindrangen, hörte er das Plätschern von Wasser
irgendwo weiter vorn in der Höhle, und nachdem sich seine Augen an das veränderte Licht gewöhnt hatten, entdeckte er eine Anzahl gut mannshoher Durchgänge, die
tiefer in den Fels hinein und vielleicht auch in benachbarte
Räume führten.
»Habe ich zu viel versprochen?«
Obwohl Gwinneths Stimme vor Anstrengung zitterte,
hörte er doch deutlich den Stolz darin. Er schüttelte wortlos den Kopf.
»Merlins Höhle ist gleich da vorne rechts, der erste
Gang.« Gwinneth wartete seine Reaktion nicht ab, sondern
ging in die bezeichnete Richtung los und Lancelot sah sich
weiter und mit wachsendem Staunen um, während er ihr
folgte. Auch die Wände hier drinnen glitzerten, aber es
konnte kein Eis sein, das sie bedeckte, denn dazu war es
viel zu warm. Vielmehr schienen es Millionen winziger
schimmernder Kristalle zu sein, die direkt aus dem Stein
hervorwuchsen und bizarre, wunderschöne Formen bildeten, die von innen heraus zu leuchten schienen, aber auch
jede Bewegung widerspiegelten, sodass die Höhle von
unzähligen huschenden Schatten und Lichtblitzen erfüllt
war, die sich jedoch weigerten, sich mit Blicken fixieren
zu lassen. Auch unter seinen Füßen klirrte und hallte es
bei jedem Schritt, als ginge er über zermahlendes Glas,
und je tiefer sie in die Höhle eindrangen, desto wärmer
wurde es.
Gwinneth erreichte den Durchgang, auf den sie gerade
gedeutet hatte und blieb stehen, damit er zu ihr aufschließen konnte. Sie lachte leise, machte einen übertriebenen
Hofknicks und dann eine einladende Geste und Lancelot
trat gebückt an ihr vorbei und in die zweite, deutlich kleinere Höhle, die sich hinter dem Durchgang befand.
Im ersten Moment war er beinahe enttäuscht. Er wusste
nicht, was er erwartet hatte – vielleicht ein Feenschloss,
einen Märchenpalast, irgendetwas Außergewöhnliches jedenfalls, nach dem, was sie draußen gesehen hatten –,
aber der Raum war von fast enttäuschender Schlichtheit.
Auch seine Wände waren mit den leuchtenden Kristallen
übersät, doch die Decke war nicht höher als zwei Meter
und das wenige Mobiliar hätte ebenso gut aus einem einfachen Bauern- oder Fischerhaus stammen können. Es gab
ein schmales Bett, dessen Laken und Kissen längst vermodert und zu Staub zerfallen waren, einen wuchtigen
Tisch mit einem einzigen Stuhl und eine gewaltige Truhe
aus schweren Eichenbohlen, und das war auch schon alles.
Nicht das Labor eines Alchemisten, keine Zauberkugel,
keine Regale voller uralter Pergamente und Bücher mit
geheimem Wissen. Zögernd machte er einen weiteren
Schritt in den Raum hinein, blieb stehen und drehte sich
einmal im Kreis.
»Und hier hat Merlin …?«
»… gelebt. Ja. Jedenfalls erzählt man sich das.« Gwinneth schüttelte den Kopf. »Er hätte leben können wie ein
König, aber er hat diese schlichte Unterkunft vorgezogen.«
Das wiederum überraschte Lancelot kein bisschen. Der
Mann, über den Gwinneth jetzt sprach, war ganz der Dagda, den er gekannt hatte. »Und die anderen Räume?«
»Die Gänge führen tiefer in den Berg hinein«, antwortete
Gwinneth. Sie wirkte ein bisschen verlegen. »Ich habe es
nicht gewagt, sie zu erkunden. Ich war noch fast ein Kind
damals. Ich hatte Angst, mich zu verirren.«
»Sehen wir sie uns wenigstens an«, schlug Lancelot vor.
Gwinneth widersprach nicht, aber sie wirkte auch nicht
begeistert und Lancelot fragte sich, ob sie wirklich die
Wahrheit gesagt oder nicht vielmehr in einem dieser anderen Gänge etwas entdeckt hatte, worüber sie lieber nicht
sprechen wollte. Sie machte jedoch keinen Versuch, ihn
zurückzuhalten, und so verließ er die Höhle wieder und
wandte sich nach rechts.
Es gab insgesamt vier weitere Durchgänge. Der erste
führte tatsächlich in einen schmalen, steil abschüssigen
Gang, aus dem ihm ein Hauch eisiger Luft entgegenschlug. Lancelot machte nur ein paar Schritte hinein und
blieb wieder stehen, als sich das lose Geröll unter seinen
Füßen bewegte und eine winzige Lawine abging.
Er verlor sie schon nach kurzer Distanz aus den Augen,
aber das Klirren und Klacken rollender Steine hielt noch
lange an, bevor es verklang. Lancelot zog es vor,

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