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Runenschild

Titel: Runenschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ich Sean noch heute darum, die
Tür zumauern zu lassen.«
»Ich gebe mich geschlagen«, antwortete Lancelot. »Geh
zurück. Ich werde dir folgen.« Um zu beweisen, dass er
die Wahrheit sagte, drehte er sich zu ihr herum und dann
geschah das, was geschehen musste: Sein linker Fuß
rutschte auf dem spiegelglatt gefrorenen Felsen weg und
Lancelot machte alles noch schlimmer, als er sich mit einer erschrockenen Bewegung herumzuwerfen versuchte,
um irgendwo an der Wand Halt zu finden.
Er fand ihn nicht. Der Felsen, senkrecht und mit einer
Eisschicht überkrustet, die so glatt war wie ein auf Hochglanz polierter Spiegel, schien ihn regelrecht von sich
wegzustoßen, und Lancelot kippte mit einem entsetzten
Schrei und hilflos rudernden Armen nach hinten und auf
den unter ihm klaffenden Abgrund zu.
Er fiel. Über sich hörte er Gwinneth gellend aufschreien
und auch er selbst schrie und griff verzweifelt um sich.
Hart prallte er mit der Hüfte auf dem Rand des schmalen
Felsweges auf, fiel weiter ins Nichts hinaus – und dann
war es, als würde er von einer unsichtbaren, sanften Hand
aufgefangen und fast behutsam zurückgeschoben. Er
schlug aber trotzdem mit dem Hinterkopf so hart gegen
den Felsen, dass er einen Moment lang benommen liegen
blieb. Als er wieder mehr als nur bunte Lichtblitze sah,
richtete er sich vorsichtig auf, lehnte sich mit dem Rücken
gegen den kalten Fels und tastete mit beiden Händen seine
Glieder ab, als müsse er sich davon überzeugen, dass sein
Körper tatsächlich noch komplett war. Erst dann registrierte er, dass Gwinneth neben ihm kniete und ihn aus Augen
anstarrte, die von blankem Entsetzen erfüllt waren.
»Lancelot!«, keuchte sie. »Bist du … aber wie … was ist
denn nur …?«
»Das wüsste ich auch gern.« Völlig fassungslos starrte er
die Leere neben dem schmalen Felspfad an. Er war gestürzt. Er hatte es sich nicht eingebildet – so wenig wie die
unsichtbare Kraft, die ihn im letzten Moment aufgefangen
und zurückgedrängt hatte. Mit klopfendem Herzen richtete
er sich auf, streckte behutsam die Hand über dem Abgrund
aus und wartete darauf, auf einen Widerstand zu stoßen.
Aber da war nichts. Nur der Wind, der eisig in seine Haut
biss.
»Aber wie kann das sein?«, hauchte Gwinneth.
Zur Antwort hob Lancelot nur die Schultern, Irgendetwas hatte ihn aufgefangen, das war klar. Und es war ganz
eindeutig nicht der Wind gewesen.
Er wurde trotzdem nicht leichtsinnig, sondern war im
Gegenteil noch vorsichtiger, als er seinen Weg fortsetzte.
Obwohl er Gwinneth gerade versprochen hatte kehrtzumachen, erhob sie jetzt keine Einwände, doch auch Lancelot
protestierte nicht mehr, als sie sich ihm anschloss.
Sie brauchten nahezu eine halbe Stunde, bis sie den
schmalen Spalt im Felsen erreichten, der immer noch gute
drei oder vier Manneslängen über dem Meer lag.
Aus der Nähe erkannte Lancelot, dass es einen zweiten,
womöglich noch steileren Pfad gab, der von dort aus hinab
zur eigentlichen Küste führte, jetzt aber nur in Schaum
gekrönten grauen Wellen endete, die mit solcher Wucht
gegen das Land anrannten, dass der Fels unter seinen Füßen und in seinem Rücken unter ihrem Ansturm erzitterte.
Als sie die Höhle erreichten und hintereinander durch
den schmalen Spalt traten, blieb Lancelot noch einmal
stehen, ließ sich auf die Knie hinab und klaubte eine Hand
voll gefrorenen Schnees vom Boden auf. Er formte ihn mit
beiden Händen zu einem Ball, den er so kräftig in die Leere hinauswarf, wie er konnte. Er flog jedoch kaum weiter
als eine Armeslänge, ehe er vom Wind ergriffen und in die
Tiefe gerissen wurde. Die unsichtbare Hand, die ihn gerettet hatte, war offensichtlich nicht gewillt, dasselbe auch
mit Schneebällen zu tun. Vielleicht noch verwirrter als
bisher wandte er sich endgültig ab und folgte Gwinneth in
die Höhle hinein.
Der schmale, sich nach oben verjüngende Gang, der sie
aufnahm, war so niedrig, dass selbst Gwinneth sich bükken musste, um nicht mit Kopf und Schultern gegen die
Decke zu stoßen. Er führte ein gutes Dutzend Schritte weit
steil aufwärts, bevor er einen scharfen Knick nach links
machte. Und als Gwinneth und Lancelot diesem Knick
folgten, erlebten sie eine Überraschung.
Nach Gwinneths Erzählung hatte er eine finstere Höhle
erwartet, aber das genaue Gegenteil war der Fall. Vor ihnen erstreckte sich ein hoher, weiter Felsensaal, der von
einem sanften hellgrauen Schimmer erfüllt war, der aus
keiner

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