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Runenschild

Titel: Runenschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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trat neben sie.
Gwinneth hatte die Arme halb erhoben, als wolle sie das
Tor aufdrücken, aber selbst wenn ihre körperliche Kraft
dazu ausgereicht hätte – was angesichts der beiden Torflügel, die Tonnen wiegen mussten, schier unmöglich war –,
wäre es ihr nicht gelungen. Es gab keinen Riegel, kein
Schloss, keinen irgendwie sichtbaren Mechanismus, um
das Tor zu öffnen.
»Wie geht es auf?«, murmelte sie.
Lancelot hob nur die Schultern. Da Gwinneth immer
noch wie hypnotisiert auf das Tor und die verwirrenden
Runen und Schriftzeichen in dem schwarzen Eisen starrte,
fügte er nach einem kurzen Moment hinzu: »Ich weiß es
nicht.«
Fast widerwillig riss Gwinneth ihren Blick von den ineinander verschlungenen Runen vor sich los und sah zu
ihm hoch. »Aber in Malagon hast du es doch auch geöffnet.«
»Das war etwas anderes«, behauptete Lancelot. Es bedurfte einer bewussten Willensanstrengung, um seine
Stimme zumindest annähernd bedauernd klingen zu lassen, und er hoffte zumindest, dass ihm Gwinneth seine
Erleichterung nicht ansah. Der Gedanke, dass hinter diesem Tor irgendetwas Gefährliches auf sie lauern sollte,
war schlichtweg absurd, und doch war Lancelot insgeheim
froh. Sicherlich war dies die eleganteste Methode, Gwinneths Bitte abschlagen zu können und nicht durch dieses
Tor gehen zu müssen.
Doch wie schon vorhin am anderen Ufer war Gwinneth
auch dieses Mal nicht geneigt aufzugeben. Sie schüttelte
nur den Kopf und zauberte ein vielleicht nicht ärgerliches,
aber eindeutig ungeduldiges Stirnrunzeln auf ihr Gesicht.
Sie glaubte ihm nicht, doch sie sparte sich eine entsprechende Bemerkung. Stattdessen legte sie den Kopf in den
Nacken, um die Runen auf dem oberen Teil des Tores zu
betrachten.
»Irgendwie kommen sie mir bekannt vor«, murmelte sie.
»Ich weiß nicht, was sie bedeuten …«
»… aber du hast das Gefühl, sie schon einmal gesehen
zu haben.« Lancelot nickte. »Mir geht es ganz genauso.«
Dann, nur einen Moment später, wusste er es. »Das
Schwert. Es sind die gleichen Runen wie auf dem
Schwert!«
»Und auf deinem Schild«, fügte Gwinneth mit einem
Nicken hinzu. »Schade nur, dass wir auch nicht wissen,
was sie bedeuten.«
Sie machte keinen Hehl aus ihrer Enttäuschung, sondern
seufzte nur noch einmal tief, drehte sich dann um und ließ
sich mit angezogenen Knien vor dem Tor auf den Boden
sinken. Das nasse Haar hing ihr ins Gesicht.
Sie strich es nachlässig mit einer Hand zurück und allein
die Grazie dieser Bewegung war fast mehr, als Lancelot in
diesem Moment ertrug. Er musste all seine Kraft aufwenden, um sie nicht einfach an sich zu ziehen. Aber hier und
jetzt waren weder der richtige Moment noch der richtige
Ort für Zärtlichkeiten. Ganz bewusst weiter von ihr entfernt als notwendig setzte sich auch Lancelot hin und lehnte Schultern und Hinterkopf gegen das eiserne Tor. Genau
wie der See war es nicht so kalt, wie sein Anblick hatte
erwarten lassen, und es fühlte sich auch nicht wirklich an
wie Eisen. Hart, ja, vielleicht sogar unzerstörbar, und dennoch auf eine Weise sanft, die er nicht in Worte zu kleiden
vermochte.
»Glaubst du, dass er Artus hier gefunden hat?«, fragte
Gwinneth nach einer Weile. »An diesem See?«
»Wo sonst?« Lancelot dachte flüchtig an die anderen
Gänge, die sie entdeckt hatten, und ein kurzer, aber eisiger
Schauer lief ihm über den Rücken. So wie er mit absoluter
Gewissheit spürte, dass sie in dieser Höhle in Sicherheit
waren und ihnen keine Gefahr der Welt hier etwas anzuhaben vermochte, ebenso sicher war er, dass in den übrigen Gängen etwas Schlimmes, Gefährliches wartete. Etwas, das sie besser nicht weckten.
»An einem See«, murmelte Gwinneth. Lancelot hörte ein
Rascheln, drehte den Kopf und sah, dass sie ein Stück näher gerückt war und nun nur noch eine Handbreit von ihm
entfernt saß. Ihr Blick war jedoch weiter unverrückbar auf
den schimmernden Kristall im Herzen des Sees gerichtet.
»Genau wie du. Und ich. Das muss etwas zu bedeuten
haben.«
»Vermutlich«, sagte Lancelot. »Aber ich weiß nicht
was.«
»Was wissen wir überhaupt?«, fragte Gwinneth. Sie
rückte noch ein Stück näher und ihre Schulter berührte
jetzt die Lancelots. Ein kurzer Schauer rann ihm über den
Rücken.
»Was meinst du damit?«
Bevor sie antwortete, berührte Gwinneth in einer Geste,
die wie zufällig wirkte, es aber ganz und gar nicht war, mit
den Fingerspitzen ihr Ohr und tastete über den schmalen
vernarbten

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