Runenschild
dieses Fehlers vielleicht auch sein mochten. Er wirbelte
auf dem Absatz herum und rannte los, so schnell er nur
konnte.
Unglückseligerweise erlosch hinter ihm das magische
Tor zwischen den Welten wieder und im gleichen Moment
setzte der Sturm mit solcher Wucht wieder ein, als wolle
er in einer einzigen Sekunde alles wieder wettmachen, was
ihm in den Minuten zuvor verwehrt worden war. Dulac
taumelte wie unter einem Schlag, stolperte ungeschickt
und fiel auf die Knie. Der Wind schlug ihm wie mit unsichtbaren Fäusten ins Gesicht und der Schnee wirbelte
plötzlich so dicht vor ihm, dass er kaum noch atmen konnte.
Irgendwie schaffte er es dennoch, auf die Füße zu kommen und weiterzustolpern. Alles rings um ihn herum war
plötzlich weiß; reine tobende Bewegung und Kälte, die
mit unsichtbaren gläsernen Zähnen in seine Haut biss. Das
Heulen des Sturmes, das nach der unheimlichen Stille zuvor plötzlich doppelt so laut schien, erfüllte seine Ohren
mit dem Kreischen von tausend losgelassenen Dämonen.
Er stolperte blind weiter, fiel wieder auf ein Knie und
brauchte dieses Mal deutlich länger, um sich wieder in die
Höhe zu arbeiten. Wohin er auch sah, tobte ein weißes,
brüllendes Chaos.
Er hatte die Orientierung verloren.
Dulac wusste nicht mehr, aus welcher Richtung er kam
und in welche Richtung er laufen musste. Ob die Verfolger hinter, vor oder neben ihm waren. Wo der Wald lag
oder das Gasthaus. Er hatte sich verirrt.
Panik drohte ihn zu übermannen. Für einen Moment verlor er nicht nur die räumliche Orientierung, sondern auch
die Kontrolle über seine Gedanken. Und für einen noch
kürzeren, aber schrecklich gefährlichen Moment wollte er
nichts anderes als einfach davonrennen und sich irgendwo
verkriechen, bis all dieser Schrecken vorüber war.
Dann trug das Heulen des Windes Gwinneths Schrei an
sein Ohr.
Vermutlich war es gar nicht ihre Stimme. Der Sturm
heulte und kreischte wie eine ganze Meute losgerissener
Höllenhunde rings um ihn herum und sein Brüllen hatte
eine Lautstärke erreicht, die ihn fast taub machte, sodass
er sie gar nicht hören konnte , aber für die Dauer eines
schreckerfüllten Herzschlages glaubte er Gwinneths
Stimme zu hören, die in höchster Not um Hilfe schrie, und
es spielte keine Rolle, ob es Einbildung war oder Realität
– das Geräusch riss ihn in die Wirklichkeit zurück und
rettete ihm vielleicht sogar das Leben. Er sah einen verzerrten Schatten durch das weiße Wogen auf sich zutaumeln, warf sich instinktiv zur Seite und fiel der Länge
nach in den Schnee. Der Pikte, der ihn um ein Haar über
den Haufen gerannt hätte, stürmte blindlings an ihm vorbei und brauchte in seiner Überraschung noch zwei oder
drei Schritte, um abzubremsen und sich umzudrehen, und
diese Zeitspanne genügte Dulac, auf die Füße zu kommen
und loszurennen.
Er verschwendete keine Zeit damit, sich nach dem Pikten umzusehen, um sich davon zu überzeugen, ob er ihn
verfolgte oder nicht, sondern riss schützend die Arme vors
Gesicht und rannte, so schnell er konnte und ohne auf den
Wind, den eisigen Schnee und die tief hängenden, eisverkrusteten Äste zu achten, die ihm ins Gesicht peitschten.
Er stolperte, fand nur noch mit Mühe sein Gleichgewicht
wieder und wäre im nächsten Moment beinahe wirklich
gestürzt, als er gegen einen Baum prallte, der zu schnell
aus der schneedurchtosten Dunkelheit vor ihm auftauchte,
als dass er noch darauf hätte reagieren können. Die stampfenden Schritte seines Verfolgers waren immer noch hinter ihm und sie schienen näher zu kommen, aber dann und
wann hörte er ein Grunzen oder einen unterdrückten
Fluch, die ihm klar machten, dass die Pikten mit den gleichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten wie er.
Dennoch bestand am Ausgang dieser verzweifelten
Flucht kaum noch ein Zweifel. Der Barbarenkrieger war
viel stärker als er und vermutlich auch in deutlich besserer
Form. Haken schlagend und immer wieder den jäh aus
dem Sturm auftauchenden Hindernissen ausweichend
stürmte Dulac tiefer in den Wald hinein, aber am Ende
kam es dann doch, wie es kommen musste: Wo er festen
Boden erwartet hatte, gab der Schnee plötzlich unter seinem Fuß nach und Dulac machte noch einen ungeschickttorkelnden Schritt, bevor er mit hilflos rudernden Armen
vornüber in den Schnee fiel.
Hinter ihm erscholl ein triumphierendes Keuchen, und
noch während Dulac sich verzweifelt auf den Rücken zu
wälzen versuchte, machte er sich auf den
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