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Runenschild

Titel: Runenschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wurde bitter.
»Ihr seid nichts anderes als Diebe und Kopfgeldjäger.«
»Nicht so vorschnell«, antwortete Sean und hob besänftigend die Hand. »Es ist wahr. Wir sind Diebe, wenn es
sich ergibt. Aber wir nehmen nur von denen, die genug
haben, und meist auch nur das, was sie selbst gestohlen
haben. Jemand hat uns geschickt, um euch zu finden und
in Sicherheit zu bringen, und wir bekommen Geld dafür –
was ist schlimm daran?«
»Jemand? Wer?«
»Das weiß ich nicht«, antwortete Sean.
»Du weißt nicht, wer dich beauftragt hat?« Dulac lachte
leise. »Mach dich nicht lächerlich!«
»Natürlich weiß ich, wer es war«, erwiderte Sean in
leicht verärgertem Ton. »Ein Fremder, dem wir vor Monatsfrist begegnet sind. Ein älterer Mann; graues Haar,
sehr groß, prachtvoll gekleidet und mit den Manieren und
dem Gehabe eines Edelmannes. Sagt dir das etwas?« Diese Beschreibung traf auf mindestens hundert Personen zu,
an die Dulac sich erinnern konnte, aber er schüttelte trotzdem den Kopf. »Hat er seinen Namen genannt?«
»Ja, aber der war mit Sicherheit so falsch wie die Geschichte, die ihr uns aufgetischt habt«, erwiderte Sean. »Er
hat uns für seinen Auftrag gut bezahlt. Mehr interessiert
mich nicht.«
»Und das soll ich dir glauben?«, fragte Dulac.
»Nur wenn du es willst«, erwiderte Sean. »Es macht keinen Unterschied.«
»Vielleicht doch«, sagte Dulac. »Vielleicht macht es den
Unterschied, ob wir bei euch bleiben oder verschwinden.«
Sean machte sich nicht einmal die Mühe, darauf zu antworten, und wozu auch? Nur dass Dulac und Gwinneth
nicht gefesselt waren, bedeutete nicht, dass sie keine Gefangenen waren. Zumindest in der Rolle des Küchenjungen Dulac hatte er nicht die geringste Chance, Sean und
seinen Brüdern zu entkommen. Seltsam: Er sollte wütend
sein, erschrocken oder zumindest enttäuscht, aber alles,
was er fühlte, war eine immer größer werdende Verwirrung.
»Weiß … Gwinneth davon?«, fragte er.
Sean schüttelte den Kopf. »Wie gesagt: Sie traut uns
nicht und weicht uns deshalb aus.« Er hob den Kopf und
blickte in die andere Richtung. »Ich glaube, es ist an der
Zeit, dass ich den Rest meiner nichtsnutzigen und faulen
Verwandtschaft wecke. Du fühlst dich wirklich wieder
besser?«
Dulac nickte.
»Dann kannst du dich ja auch nützlich machen«, fuhr
Sean mit einem breiten Grinsen fort. »Hilf mir das Frühstück zuzubereiten. Sobald die Sonne ganz aufgegangen
ist, reiten wir weiter. Es ist noch ein schönes Stück Weg
bis zur Grenze nach Cornwall.«
    Wie sich zeigte, waren diese Worte keineswegs übertrieben gewesen. Nach einem kargen Frühstück, das nur aus
einem Stück steinhartem Brot und zwei dünnen Scheiben
gebratenem Speck bestand, stiegen sie in die Sättel und
ritten los, und es dauerte gar nicht lange, bis Dulac sich
ernsthaft zu fragen begann, ob er nicht in den zurückliegenden beiden Tagen besser dran gewesen war, Fieber und
quälende Trugbilder hin oder her. Sie ritten in südwestliche Richtung und damit ins Landesinnere, doch das war
auch schon alles, was Dulac sagen konnte. Obwohl sie
zweimal einen Waldweg und einmal sogar eine gut ausgebaute, wenn auch schneebedeckte Straße passierten, bewegten sie sich doch die meiste Zeit mitten durch den
Wald, der manchmal so dicht war, dass es selbst im Sommer und bei gutem Wetter schwierig gewesen wäre, ihn zu
passieren.
    Sie kamen buchstäblich nur im Schneckentempo vorwärts und Dulac hatte mehr als einmal das Gefühl, dass sie
im Kreis ritten – was natürlich nicht stimmte; es hatte aufgehört zu schneien, sodass sie auf ihre eigenen Spuren
hätten stoßen müssen, hätten sie sich tatsächlich verirrt.
Aber je weiter der Tag voranschritt, desto weniger sicher
war sich Dulac, ob Sean wirklich das Ziel bestimmte oder
nicht vielmehr sein schwarzer Hengst, der sich ohne viel
Rücksicht auf sie zu nehmen seinen Weg durch das
schwierige Gelände bahnte. Dabei schienen Ross und Reiter ganz instinktiv die Nähe aller Orte zu meiden, an denen
sie auf Menschen hätten stoßen können, und nahmen lieber große Umwege in Kauf, statt einen der an Siedlungen
oder Gehöften vorbeiführenden Wege zu benutzen, auf
denen sie viel besser vorangekommen wären.
    »Vor wem fliehen wir eigentlich?«, fragte Dulac schließlich, als die Sonne sich langsam dem Zenit näherte und es
auch hier drinnen im Wald allmählich heller wurde, wenn
schon nicht wärmer. Da man ihm keine feste Position in
der Gruppe

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