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Runenschild

Titel: Runenschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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gewesen,
ich wäre weggelaufen und hätte dich deinem Schicksal
überlassen?«
»Vielleicht wäre es mir wirklich lieber gewesen«, flüsterte Gwinneth. Dulac konnte sehen, wie sie erschauerte.
»Was geschieht mit dir, Dulac? Selbst Sean und seine
Brüder hatten Angst vor dem Silbernen Ritter, der wie ein
Dämon unter die Pikten gefahren ist.«
»Sie hätten dich getötet, Gwinneth«, sagte Dulac. »Oder
dich gefangen genommen und zu Morgaine gebracht, vielleicht auch zurück zu Artus. Willst du das?«
»Ich weiß nicht mehr, was ich will«, flüsterte Gwinneth.
Sie wich seinem Blick aus. »Ich weiß nicht einmal mehr,
ob du noch der bist, den ich zu kennen glaube, Dulac –
oder sollte ich lieber Lancelot sagen?« Sie hob mit einem
Ruck den Kopf und starrte an ihm vorbei ins Nichts. Etwas in ihrem Blick hatte sich verändert. Ihre Augen wirkten jetzt so hart wie kunstvoll bemalte Glaskugeln. »Du
erschlägst ein halbes Dutzend Männer ohne Gnade und
dann riskierst du dein Leben – und damit auch meins und
das dieser Männer hier –, um ein Pferd zu retten?«
»Aber ich …«, begann Dulac.
Gwinneth stand auf. »Es geht dir wieder gut, wie ich sehe«, sagte sie leise, mit fast tonloser Stimme und noch
immer ohne ihn direkt anzusehen. »Dann entschuldige
mich bitte. Wir brechen in einer Stunde auf und ich möchte noch ein wenig schlafen. Ich bin sehr müde.«
Völlig fassungslos sah Dulac ihr nach, während sie sich
umdrehte und ein Stück weit davonging, um sich schließlich an einen Baum gelehnt zusammensinken zu lassen,
den Mantel enger um die Schultern zu ziehen und die Augen zu schließen. Und so unglaublich es ihm vorkam, er
konnte sehen, dass sie auf der Stelle eingeschlafen war.
Lange Zeit saß Dulac einfach da und starrte mit einer
Mischung aus Verständnislosigkeit, Schrecken und Trauer
zu der schlafenden Elben-Prinzessin hinüber.
Gwinneths Worte hatten ihn getroffen wie ein Schlag ins
Gesicht, und der Schmerz ließ nicht nach, sondern schien
mit jedem Moment schlimmer zu werden. War es möglich,
dass Gwinneth tatsächlich Angst vor ihm hatte?
Er kroch ein Stück näher ans Feuer heran, doch die prasselnden Flammen vermochten ihn nicht wirklich zu wärmen. Seine Finger zitterten plötzlich so heftig, dass es ihm
kaum gelang, den Wasserschlauch zu öffnen und anzusetzen, und das Wasser, das vor einem Augenblick noch so
köstlich geschmeckt hatte, kam ihm jetzt bitter vor.
Als er den Schlauch absetzte, spürte er, dass er nicht
mehr allein war. Dulac sah auf und blickte in Seans Gesicht. Der Ire war wieder herübergekommen und hatte sich
ein kleines Stück neben ihm in die Hocke sinken lassen.
Eine Zeit lang erwiderte er Dulacs Blick ruhig und fast
ausdruckslos, dann drehte er den Kopf, um nachdenklich
zu Gwinneth hinüberzusehen. »Du darfst es ihr nicht übel
nehmen«, sagte er.
»Was?«
»Ihr habt euch gestritten, habe ich Recht?«
Dulac hob die Schultern. »Vielleicht. Ich bin nicht sicher.«
»Sie hat keinen Moment geschlafen, seit du aus der
Scheune gekommen bist«, sagte Sean. »Um sie von deiner
Seite zu bekommen, hätten wir sie mit Gewalt wegschleifen müssen. Das Mädchen liebt dich wirklich, mein Junge.
Du hast sehr großes Glück, einen solchen Menschen zu
haben.«
»Ich weiß«, sagte Dulac. »Aber ich verstehe nicht, was
sie hat.«
»Angst«, antwortete Sean. »Sie hat Angst um dich.
Menschen sind so, weißt du? Manchmal täuschen sie Zorn
oder Kälte vor, um ihre wirklichen Gefühle nicht zeigen
zu müssen. Sie hat für dich getan, was in ihrer Kraft stand,
und viel mehr, als die meisten anderen getan hätten. Jetzt
ist es an der Zeit, dass du etwas für sie tust.«
»Und was?«
»Hab einfach ein bisschen Geduld«, sagte Sean. »Wir erreichen heute im Laufe des Tages die Grenze von Cornwall. Es gibt ein kleines Dorf, nicht weit von hier, in dem
wir Unterschlupf finden werden. Vielleicht können wir
einen oder zwei Tage dort bleiben, bis ihr beide euch erholt habt. Nach einer Nacht voller Schlaf und mit einer
anständigen Mahlzeit im Bauch sieht die Welt schon wieder ganz anders aus, du wirst sehen.«
»Wir?«, fragte Dulac.
»Ihr könnt euch natürlich auf eure Pferde setzen und allein weiterreiten«, antwortete Sean mit sanftem Spott.
»Nur zu, wenn du unbedingt ausprobieren willst, wie
lange euer Glück noch vorhält. Ich werde dich nicht daran
hindern.«
»So war das nicht gemeint«, sagte Dulac hastig. »Es ist
nur …«
»Ja?«, fragte Sean,

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