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Runenschild

Titel: Runenschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wurde noch wärmer. »Es scheint wohl zu
stimmen, was der irische Halsabschneider über Euch erzählt hat. Aber macht Euch keine Sorgen. Solange Ihr hier
seid, ist Lady Gwinneth in Sicherheit.«
Dulac gab endgültig auf, wandte sich ab und kehrte zu
den anderen zurück. Sean empfing ihn mit einem Blick,
als wüsste er nicht nur ganz genau, was sich draußen auf
dem Gang abgespielt hatte, sondern als hätte er auch mit
nichts anderem gerechnet, und sein Onkel machte eine
Bemerkung, die Dulac zwar nicht verstand, die von den
anderen aber mit grölendem Gelächter quittiert wurde.
Dulac zog es vor, so zu tun, als hätte er es nicht gehört.
Für diesen Morgen, fand er, hatte er sich genug blamiert.
Sean und seine Brüder schienen nicht dieser Meinung zu
sein, denn sie amüsierten sich eine geraume Weile damit,
Dulac mit gutmütigen Sticheleien aufzuziehen und ihn auf
die eine oder andere Weise zu foppen, bis sie des Spieles
schließlich überdrüssig wurden. So verging annähernd
noch einmal eine Stunde, in der sich Dulac immer wieder
umdrehte und nervös und ungeduldig zur Tür sah – was
natürlich jedes Mal Anlass zu weiteren spöttischen Bemerkungen der irischen Söldner gab.
Endlich aber hörte er das Geräusch der Tür, drehte sich
um – und was er sah, das verschlug ihm buchstäblich den
Atem.
Die zwei Stunden, die vergangen waren, seit er Gwinneth das letzte Mal gesehen hatte, hatten ausgereicht, einen vollkommen anderen Menschen aus ihr zu machen.
Sie war noch immer ein wenig blass, und wenn man
ganz genau hinsah, dann musste man die Spuren der Entbehrungen bemerken, die die zurückliegenden Wochen in
ihrem Gesicht hinterlassen hatten.
Davon abgesehen jedoch sah sie mehr denn je wie eine
Königin aus. Sie trug nicht mehr das zerschlissene Kleid,
in dem sie sich am vergangenen Abend zum Schlafen niedergelegt hatte, sondern eine weiße Bluse und einen dunklen, bis auf die Knöchel fallenden Rock, die beide von
einfachem Schnitt, aber dennoch sehr geschmackvoll waren, und zweifellos von der gleichen Hand geschneidert
wie das Kleid, das die Wirtsfrau trug. Ihr Haar war sorgsam gebürstet und hing ihr offen bis weit über die Schultern herab, und das heiße Bad hatte sichtlich nicht nur den
Schmutz der vergangenen Tage von ihr abgewaschen,
sondern auch ihre Lebensgeister wieder geweckt, denn sie
strahlte eine Kraft und Zuversicht aus, die er viel zu lange
und viel zu schmerzlich an ihr vermisst hatte.
Dulac starrte sie lange und wortlos an, bis ihm klar wurde, dass es gar nicht so sehr die sauberen Kleider, das
frisch gewaschene Gesicht und das gebürstete Haar waren,
die die wirkliche Veränderung ausmachten. Was diese Gwinneth von der unterschied, mit der er noch am Abend
zuvor am Waldrand gestanden hatte, das waren die Kraft
und die Zuversicht, die sie plötzlich ausstrahlte. Fast hätte
Dulac laut aufgejubelt. Gwinneth hatte ihren Mut zurückerlangt.
Er schien nicht der Einzige zu sein, dem diese Veränderung auffiel. Sean und seinen Brüdern hatte es offensichtlich die Sprache verschlagen. Sie starrten Gwinneth aus
großen Augen an, und schließlich war es der Wirt, der das
Schweigen brach. Er kam mit hastigen Schritten hinter
seiner Theke hervor, hielt in respektvollem Abstand vor
Gwinneth an und fiel auf seine Knie herab.
»Mylady«, sagte er, während er demütig das Haupt vor
Gwinneth beugte.
Ein Ausdruck von Überraschung huschte über Gwinneths Gesicht, aber das Benehmen des Mannes schien ihr
eher peinlich zu sein als ihr zu schmeicheln. Sie machte
einen halben Schritt in seine Richtung, hob die Hand und
ließ den Arm dann wieder sinken. Hinter ihr erschien die
dicke Frau in der Tür, die Dulac vorhin so energisch zurückgewiesen hatte. Als sie ihren Mann auf den Knien
liegen sah, runzelte sie missbilligend die Stirn, sagte aber
nichts, sondern drängte sich mit einiger Mühe an Gwinneth vorbei ganz ins Zimmer und verbeugte sich dann
ebenfalls tief; ohne allerdings auf die Knie herabzufallen.
»Bitte tut das nicht«, sagte Gwinneth. »Ich will nicht,
dass irgendjemand vor mir auf den Knien liegt.«
Der Wirt hob unsicher den Kopf. Für eine Moment sah
er so hilflos aus, dass er Dulac fast Leid getan hätte, dann
aber rappelte er sich hastig hoch und machte wieder zwei
Schritte rückwärts und schien mit einem Male nicht zu
wissen, was er mit seinen Händen anfangen sollte. »Verzeiht, Mylady«, stammelte er. »Ich wollte nicht …«
»Wir freuen uns nur

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