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Runenschild

Titel: Runenschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zuzuwerfen und wandte sich dann mit ebenso fragendem
wie unsicherem Gesichtsausdruck an den Wirt.
»Habt keine Angst, junger Herr«, sagte der Schankwirt
hastig. »Euer Geheimnis ist bei uns sicher aufgehoben.
Niemand weiß, dass Ihr hier seid, und es wird auch niemand erfahren, wenn Ihr es nicht wollt.« Er machte einen
halben Schritt zurück, drehte sich herum und hielt mitten
in der Bewegung noch einmal inne. »Ich werde meiner
Frau Bescheid geben, damit sie ein Bad richtet. Wenn Lady Gwinneth erwacht, wird sie sich gewiss frisch machen
wollen nach der langen Reise.«
Er ging. Dulac wartete, bis er den Raum durch eine
schmale Tür hinter der Theke verlassen und diese auch
hinter sich geschlossen hatte, dann wandte er sich wieder
an Sean und spießte ihn mit Blicken regelrecht auf.
»Traust du ihm?«
»Noch gestern wäre ich nicht ganz sicher gewesen, was
ich darauf hätte sagen sollen.« Seans Lächeln war erloschen und hatte einem Ausdruck von plötzlichem Ernst
Platz gemacht, in dem jedoch keine Furcht lag. »Aber das
war, bevor wir hierher gekommen sind.«
»Was soll das heißen?«, fragte Dulac unwillig. »Hör auf
in Rätseln zu sprechen.«
»Es wäre leichter für uns gewesen, hättest du uns gleich
gesagt, wer deine Schwester ist«, meinte Sean. Ein leiser
Vorwurf klang in seinen Worten mit, den Dulac nicht ganz
verstand.
»Aber das wisst ihr doch. Sie ist König Artus’ Frau.«
»Und vorher war sie die von König Uther«, sagte Sean
nickend.
»Und?«
Sean seufzte und verdrehte die Augen. »Weißt du denn
gar nichts, Dummkopf? Uther! Der Herr über Tintagel.
Und so ganz nebenbei König von Cornwall.«
Dulac konnte nicht anders, als den Iren einen Moment
lang verblüfft anzustarren. Natürlich hatte er all das gewusst – aber so unglaublich es ihm auch selbst vorkam, er
hatte es einfach vergessen. Für einen Moment machten
sich eine wilde Hoffnung und eine ebenso wilde, jäh aufkommende Freude in ihm breit, doch dann schüttelte er
nur umso trauriger den Kopf.
»Uther ist tot«, sagte er. »Und als Gwinneth Artus geheiratet hat, da ist ihr Königreich automatisch auch in seinen
Besitz übergegangen. Cornwall gehört jetzt auch Artus.«
»Auf dem Papier vielleicht«, sagte Sean abfällig. Er
machte eine Kopfbewegung in die Richtung, in der der
Wirt verschwunden war. »Was glaubst du, wem die Treue
dieser Menschen hier gehört? Einem König, den sie nie
gesehen und von dem viele von ihnen noch nicht einmal
etwas gehört haben, oder ihrer Königin, die sie seit Jahren
kennen, und deren verstorbener Mann weise und gerecht
über sie geherrscht hat?« Er lachte leise. »Glaub mir, ihr
seid hier in Sicherheit.«
Wie gerne hätte Dulac sich der Hoffnung hingegeben,
dass Sean Recht hatte. Aber er wusste, dass es nicht so
war. Die meisten Menschen kannten Artus als gerechten
und sehr großmütigen Herrscher und zweifellos war er das
auch. Doch Dulac hatte ihn auch von einer anderen Seite
kennen gelernt, einer Seite, die er bis jetzt noch nicht
wirklich wahrhaben wollte, die es aber nichtsdestoweniger
gab, und dieser Artus war grausam, unbarmherzig und
gnadenlos.
»Ihr wollt also hier bleiben«, murmelte er.
»Das müssen wir sogar.« Sean goss sich einen weiteren
Becher Bier ein und nahm einen gewaltigen Schluck. Bevor er weitersprach, wischte er sich mit dem Handrücken
weißen Schaum aus dem Bart. »Dieses Gehöft ist der
Treffpunkt, den unser Auftraggeber uns genannt hat. Wir
sollen hier auf ihn warten.«
»Und wie lange?«
»Das weiß ich nicht. Einen Tag, eine Woche …« Er prostete Dulac mit dem Becher zu. »Davon abgesehen tut uns
eine kleine Erholungspause allen gut – dir am meisten.«
»Ich bin schon wieder in Ordnung«, behauptete Dulac.
»Nehmt nur keine falsche Rücksicht auf mich.«
»Ja, das sehe ich«, murmelte Sean. »Auch wenn es mir
schwer fällt, es zu glauben. Aber ich sehe es. Es muss
wohl etwas an dem dran sein, was man über die alten Königsfamilien erzählt.«
Dulac wurde hellhörig. »Was erzählt man sich denn über
sie?«
»Dass einige von ihnen noch das Blut des Alten Volkes
in sich tragen«, antwortete Sean. »Des Volkes, das vor uns
hier war. Jeder normale Mensch wäre jedenfalls an den
Verletzungen gestorben, die du davongetragen hast – oder
hätte zumindest Narben behalten.«
Ohne dass Dulac etwas gegen die Bewegung tun konnte,
machte sich seine Hand selbstständig und tastete über sein
Kinn und seine Wangen.

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