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Runenschild

Titel: Runenschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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und wusste, was sich darin
verbarg. Dulac fing auch Gwinneths warnenden, fast
schon entsetzten Blick auf, doch er fuhr trotzdem nach
einer winzigen Pause und in sehr ernstem Ton fort: »Rühr
es nicht an. Ganz egal was auch immer passieren wird.«
»Darauf gebe ich dir mein Wort«, sagte Sean. »Und nun
schlage ich vor, dass wir dieses unerquickliche Gespräch
beenden und uns schlafen legen. Wenn unser Auftraggeber
morgen kommt, steht uns möglicherweise ein anstrengender Tag bevor.«
    Der geheimnisvolle Auftraggeber, von dem Sean gesprochen hatte, kam weder am nächsten Tag noch an den zwei
darauf folgenden, sodass sich ihre Gefangenschaft immer
mehr hinauszögerte und von einer reinen Unbequemlichkeit bald zu einer echten Qual wurde – zumal sich auch
die Stimmung zwischen Dulac und Gwinneth immer weiter verschlechterte. Gwinneth hütete sich zwar, ihm die
Schuld an dem Scheitern ihrer Flucht zu geben, aber sie
machte auch keinen Hehl daraus, dass sie vielleicht ein
etwas mutigeres Auftreten von ihm erwartet hätte. Dulac
litt sehr darunter, obwohl er sich selbst immer wieder sagte, dass es rein gar nichts gab, was er hätte tun können.
Ohne seine Zauberrüstung und das Schwert war er nicht
einem einzigen dieser fünf Männer gewachsen, geschweige denn allen.
    Und selbst wenn es so gewesen wäre: Er war nicht einmal sicher, ob er gegen Sean und seine Brüder kämpfen
wollte. Es gab eine Menge, was ihm an dem Iren missfiel,
und dennoch spürte er tief in sich, dass diese fünf Männer
nicht ihre Feinde waren.
    Auch das Verhältnis der Wirtsleute zu den Iren hatte sich
drastisch verschlechtert. Hatten sie die fünf am ersten Tag
noch wie Freunde behandelt, ja fast schon ehrerbietig, als
wären es Edelleute oder Ritter und nicht in Lumpen gekleidete Halsabschneider, so machten sie aus ihrer Feindseligkeit jetzt keinen Hehl mehr; der Wirt hatte nicht nur
drei hübsche Töchter, sondern auch fünf kräftige Söhne
und gebot über ein gutes Dutzend Knechte, die das Leben
in diesem rauen Teil des Landes hart und stark gemacht
hatte. Dulacs Einschätzung nach brannte er darauf, seiner
legitimen Königin zu beweisen, wem seine Sympathien
gehörten. Wahrscheinlich hätte es ihm das allergrößte
Vergnügen bereitet, die Iren aus dem Haus prügeln oder
ihnen sogar gleich die Kehlen durchschneiden zu lassen.
    Selbstverständlich waren sich Sean und seine Brüder
dessen bewusst und verhielten sich entsprechend. Dulac
war nicht einmal sicher, ob es dem tapferen Wirt und seinen Söhnen und Knechten tatsächlich gelungen wäre, die
Iren zu überwältigen. Aber das Letzte, was er wollte, war
ein Blutbad unter diesen Menschen, die sie so freundlich
aufgenommen hatten wie sonst noch niemand seit Anbeginn ihrer Flucht, und Gwinneth schien wohl genauso zu
empfinden, denn sie nutzte die erste Gelegenheit, als sie
allein mit den Wirtsleuten sprechen konnte, um sie eindringlich davor zu warnen, irgendetwas Unbedachtes zu
tun.
    Dennoch schienen die Tage kein Ende nehmen zu wollen. Das Wetter besserte sich allmählich: Es wurde zwar
kälter, aber der Himmel war jetzt fast den ganzen Tag über
klar, es schneite nur noch wenig und der Sturm hatte endgültig aufgehört. Immerhin hatte die unfreiwillige Ruhepause auf dem Gehöft im Norden Cornwalls ein Gutes:
Das reichhaltige Essen, die Wärme und vor allem der viele
Schlaf, zu dem sie mehr oder weniger gezwungen waren,
führten dazu, dass Gwinneth und Dulac sich – zumindest
körperlich – rasch erholten. Die meiste Zeit verbrachten
sie in ihrer Dachkammer und kamen nur zu den Mahlzeiten herunter, doch nicht nur Gwinneth und er, sondern
auch Sean und die Seinen wurden immer schweigsamer
und einsilbiger. Die Atmosphäre, die schließlich zwischen
ihnen herrschte, war zwar noch nicht offen feindselig, aber
doch ebenso frostig wie der Winter, der das Land in seinem eisernen Griff hatte. Der Ausbruch von Gewalttätigkeiten lag wie etwas Greifbares in der Luft und zweifellos
wäre es auch dazu gekommen, hätte ihre Gefangenschaft
auch nur noch zwei oder drei weitere Tage angedauert.
    Es war vielleicht eine Stunde vor Anbruch der Dämmerung. Dulac hatte den ganzen Tag über schon ein ungutes
Gefühl gehabt, und obwohl sie nicht darüber gesprochen
hatten, spürte er doch, dass es Gwinneth kaum anders erging. Sie waren früher als gewohnt in den Gastraum heruntergekommen, angeblich weil sie die Langeweile und
die Enge in ihrem Zimmer nicht

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