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Runenschild

Titel: Runenschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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aber die Frage, die ihm auf der
Zunge lag, wurde zu einem entsetzten Stöhnen, als er sah,
wie der Mann weitertaumelte, hilflos gegen die Theke
prallte und dann langsam daran zu Boden glitt.
Aus seinem Rücken ragten die zitternden Schäfte von
gleich drei Pfeilen.
Und es wurde noch schlimmer. Von draußen drängten
weitere Pikten herein, die sich nicht im Geringsten davon
beeindrucken ließen, mit welcher Erbitterung sich die Iren
wehrten und wie rasch sie ihre Kameraden niederstreckten. Vor der Barrikade aus umgestürzten Tischen und
Stühlen, die Sean und seine Brüder aufgebaut hatte, erhob
sich jetzt eine zweite, kaum weniger hohe Wand aus toten
und verwundeten Barbarenkriegern, über die ihre Brüder
im wahrsten Sinne des Wortes hinwegsteigen mussten.
Doch wie tapfer sich die Iren auch verteidigten, der Moment, in dem ihr Widerstand zusammenbrechen musste,
war abzusehen.
Dulac warf einen gehetzten Blick zu der Tür, durch die
der Wirt hereingekommen war. Er glaubte Schatten dahinter zu erkennen, aber wie durch ein Wunder tauchten dort
noch keine Angreifer auf, und wie durch ein zweites, noch
viel größeres Wunder gelang es den irischen Söldnern
immer noch, dem Ansturm der Pikten standzuhalten. Hastig lehnte er den Runenschild gegen die Wand, drückte
Gwinneth das Ritterschwert in beide Hände und war mit
einem Satz bei dem Stuhl auf der anderen Seite des Kamins. Fast verzweifelt riss er Teile der Rüstung an sich,
wider besseres Wissen, denn die ihm verbleibende Zeit
würde niemals ausreichen, um den kompletten Panzer anzulegen … … und im nächsten Augenblick trug er die
Rüstung.
Für einen winzigen Moment erstarrte Dulac. Seit jenem
schicksalhaften Tag vor zwei Jahren, als er die Rüstung in
einem kleinen See gefunden hatte, hatte er sich niemals
gefragt, woher er eigentlich die Fertigkeit besaß, den eisernen Waffenrock anzulegen – etwas, das nicht annähernd so einfach war, wie man glauben mochte.
Und es war immer schnell gegangen. Das hier aber war
wie Zauberei!
Und mehr noch: Nicht wie , eindeutig durch Zauberei
trug er nicht nur die silberne Rüstung, sondern auch das
vertraute Gewicht des Runenschildes hing an seinem linken Arm, und als er auf seine rechte Hand herabsah, war
sie nicht mehr leer, nun hielt sie ein Schwert.
Aber es aber nicht die beidseitig geschliffene Waffe, die
er Gwinneth gegeben hatte.
Es war das Runenschwert. Der dunkle Bruder Excaliburs. Und es war mächtig und verlockend wie eh und je.
Dulac spürte die Kraft, die ihn plötzlich durchströmte. Die
unwiderstehliche Entschlossenheit, den Feind zu stellen
und zu schlagen, und die summende Gier, unter der der
silberfarbene Stahl in seiner Hand vibrierte und ihn mit
aller Macht dazu bringen wollte, unter die Pikten zu fahren
und den Blutdurst des Schwertes zu stillen. Er wusste,
dass er es gekonnt hätte. Sowohl die Rüstung als auch das
Schwert machten ihn weder unbesiegbar noch unverletzlich, aber sie verliehen ihm die Kraft, die Erfahrung und
das Wissen all derer, die sie vor ihm getragen hatten.
Und die dieses Schwert letztendlich vernichtet hatte.
»Lancelot! Nein!«, keuchte Gwinneth.
Langsam, wie gegen eine unsichtbare aber fast unzerreißbare Kette ankämpfend, drehte sich Lancelot um und
sah sie an. Gwinneths Gesicht war totenbleich. Die Angst
in ihren Augen loderte heller. Sie wusste, was geschehen
würde, wenn er dieses Schwert auch nur noch ein einziges
Mal benutzte. »Nein«, flehte sie noch einmal.
Lancelot wandte sich wieder dem Kampfgeschehen zu.
Sean und die anderen Iren hielten immer noch stand, aber
ihre Kräfte erlahmten jetzt zusehends. Sie alle bluteten aus
zahlreichen, mehr oder minder tiefen Wunden, und Seans
ohnehin verletzter Onkel hatte sich gegen einen Tisch gelehnt, um überhaupt noch stehen zu können, und führte
sein Schwert mit beiden Händen. Seine Hiebe waren
kraftvoll, aber langsam.
Ihm blieben noch Augenblicke, sich zu entscheiden.
Lancelot machte einen Schritt und hob das Schwert und
tief in seinen Gedanken konnte er spüren, wie der dunkle
Geist der Klinge triumphierend aufschrie. Es wäre so
leicht. Er musste diesem Drang nur nachgeben und er
würde Gwinneth retten, sich retten und auch Sean und
seine Brüder. Aber zugleich ahnte er, welchen Preis er
dafür würde zahlen müssen. So wie ihn die silberne Rüstung langsam und schleichend von Dulac, dem Küchenjungen, zu Lancelot du Lac, dem unbesiegbarsten aller
Ritter gemacht hatte, so

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