Runenschwert
Säbels etwas näher an den Hals des Jungen, wobei er sagte: » Noch eine Bewegung von dir, du Riese Ymir, und der Junge verliert seinen Kopf. Ich will jetzt eure Klingen fallen hören.«
Finn ließ angewidert seinen Godi auf die Steine fallen. Ich merkte, wie er Valgard ansah, und dachte daran, dass die beiden einst Rudergefährten gewesen waren, lange ehe ich auf die Elk gekommen war. Botolfs Brünnebeißer fiel ebenfalls krachend zu Boden, und Valgard sah mich an.
Ich ließ mein Schwert fallen, und er wurde etwas ruhiger, obwohl er seine kleine Geisel immer noch fest umklammert hielt. Der Junge war blass, aber seine Augen blieben fest, und mich schauderte. Ich schwor mir, dass der Junge, wenn Odin ihn verschonen würde, nie mehr in eine solche Situation geraten dürfe.
» Es war eine hübsche Überraschung, als der Kleine mitten im Sturm zu mir gelaufen kam«, sagte Valgard und streichelte dem Jungen die Wange mit derselben Hand, die ihn festhielt. » Da wusste ich, dass wir ein Problem hatten – und dass er die Lösung war.«
» Lass ihn los«, brachte Finn mühsam heraus.
Valgard sagte nichts und sah Finn nur spöttisch an. Er würde nicht aufgeben, nicht er, der Unsägliches getan hatte, um zu überleben, der die Leber eines Menschen essen oder seinen verhassten Feind mit einem Blutadler hinrichten konnte.
Botolf bewegte sich. Er sah mich an und kniff ein Auge zu. Ich schluckte mühsam. Ich musste unbedingt Valgards Aufmerksamkeit auf mich lenken.
» Was hast du mit dem Jungen vor?«, fragte ich.
» Ich halte ihn fest, bis gewisse Versprechen gegeben werden und wir Scherbet getrunken haben«, sagte er grinsend. » Vielleicht auch, bis Schwüre abgelegt sind.«
Er wusste, worauf er hinauswollte. Wenn er mit Bilal al-Dschamil Scherbet trank, bedeutete es, dass er als Gast akzeptiert war und nicht mehr umgebracht werden konnte. Und falls er uns dazu bringen konnte, vor Odin einen Schwur darauf abzulegen, dann hätte er sich mit einem Loki-Trick aus der Falle befreit.
Allerdings würden die Araber ihm keinen kühlen Becher im Tausch für das Leben eines mageren griechischen Jungen reichen – dafür würde Odin sorgen, denn der trachtete Valgard, dem Meineidigen, nach dem Leben, und nicht einmal die Nornen konnten das verhindern. Nicht einmal Allah.
Botolf lehnte sich etwas vor, und ich sah, wie Valgard langsam den Kopf drehte. Ich wusste, Botolf wollte einen verzweifelten Sprung wagen. Jetzt konnte uns nur noch Odin helfen.
» Du hast keine Chance, Skafhogg«, sagte ich wütend. » Glaubst du, der dürre kleine Kerl ist es wert, dass man dich laufen lässt? Mach mit ihm, was du willst, Zimmermann. Aber beeil dich, wenn du ihn frisst, denn es dürfte deine letzte Mahlzeit sein.«
Valgards Aufheulen drückte alles aus, von Wut bis Scham und was dazwischen lag. Er legte den Kopf zurück und heulte zum Himmel – in diesem Moment warf Botolf sich nach vorn.
Ich wusste, er würde es nicht schaffen. Valgard schlug zu. Die lange, gebogene Klinge hätte Botolfs großen, dummen Schädel mit einem Hieb von den Schultern trennen müssen, das war auch ihm klar, und sein Brüllen war bis Walhall zu hören.
Doch im selben Moment nahm der Junge die Hand von seinem Thor-Amulett und stieß Valgard den Ellbogen in den Schritt. Hinterher sagte er, er habe gespürt, dass er ihn genauso getroffen hatte, wie er es sich ausgedacht hatte, nachdem er Ingers Leiche gesehen hatte: auf das Röhrchen, durch das er gepisst hatte.
Der Schlag trieb es nach oben in die Blase. Schreiend krümmte Valgard sich zusammen, und sein Schwerthieb traf Botolf am linken Bein, eine Handbreit unter dem Knie. Das Bein beschrieb einen langsamen Bogen, und das Blut spritzte, aber selbst als Botolf schon schwankte wie ein loser Mast, hob er noch die Hand, packte Valgard an der Kehle und schüttelte ihn, wie ein Hund eine Ratte schüttelt. Dann fiel er hin, heulend vor Schmerz, und gab Valgard noch einen kräftigen Stoß nach hinten.
Der schrie auf, als er auf die Balkonbrüstung traf, die wie altes Brot zerkrümelte. Mit einem Laut, der Lachen oder auch ein Fluch sein konnte, stürzte er weiter in die Tiefe, ebenso wie das Runenschwert, bis beide auf den zersprungenen Pflastersteinen aufschlugen.
Finn hechte zu Botolf, der am Boden lag, und fast wären beide zusammen ebenfalls vom Balkon gerollt. Der Junge warf sich in meine Arme, und ich kniete mich hin und fing ihn auf. Er zitterte am ganzen Körper, wie ich, und ich war dem Schluchzen fast
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