Runenschwert
Insel sind«, sagte Finn. » Mir reicht es, wenn ich weiß, wo genau sie sind. Und wenn Starkad hier ist, dann ist das Runenschwert auch hier.«
Gisur knurrte und murmelte vor sich hin, ein klares Zeichen, dass er anderer Meinung war.
» Mir gefällt das ganze Gerede über die Kameltreiber und Ziegenficker nicht. Mit denen ist nicht zu spaßen.«
Sighvat nickte ernst. Er strich einem seiner Raben über den glänzenden Kopf und brachte es auf den Punkt: » Richtig. Aber was machen wir, wenn Starkad wirklich hier ist? Und unser Schwert?«
Unser Schwert hatte er es genannt. Stille trat ein, nur Radoslaw rieb sich frustriert den Kopf. » Was ist denn so besonders an diesem Schwert?«, wollte er wissen. » Ich meine, außer dass es einen Amboss zerschneiden kann. Und warum heißt es die Runenschlange?«
Gisur ignorierte ihn; er fragte stattdessen: » Was machen wir mit Starkad und seinen Männern, wenn es uns gelingen sollte, sie zu befreien? Die Woltschok ist zu klein für uns alle.«
» Wir könnten Starkad und seine Männer auf der Insel lassen, wenn wir mit den Kameltreibern fertig sind«, sagte Bruder Johannes entschieden. » Und zwar lebend.«
Finn schnaubte, und Bruder Johannes sah ihn erstaunt an, aber keiner von uns sprach aus, was wir alle wussten, nämlich, dass wir niemanden lebend zurücklassen dürften, der uns folgen könnte, wenn das Runenschwert erst wieder in unserem Besitz wäre.
Trotzdem gab es hier und da Kopfschütteln; aber ich hatte schon an eine weitere Möglichkeit gedacht.
» Was hatten Starkads Männer an, die im Delphin hinter ihm standen, Rosskopf?«, fragte ich. Finn runzelte die Stirn und dachte nach.
» Ja, also … der eine trug einen guten Umhang mit einer Silberfibel, die mir gefiel. Und der andere hatte etwas unter dem Arm … war wohl ein ziemlich prall gefülltes Bündel …«
Ich seufzte, denn Finn sah nur das, was er sehen wollte. » Trug er ein Kettenhemd?«, half ich nach, und sein Blick hellte sich auf, als er verstand, worauf ich hinauswollte. Er nickte grinsend. Ja, sie hatten Rüstung und Helme getragen.
» Kettenhemden. Und ganz sicher gute Schwerter und Helme und Schilde«, fuhr ich fort. » Und Starkads Männer würden selbst auf einer schäbigen griechischen Knarr nicht ohne diese Ausrüstung losfahren. Und selbst wenn Starkad nicht hier ist, wäre das doch eine Beute, die das Risiko wert ist.«
Bruder Johannes faltete die Hände und sah fromm zum Himmel. » Et vanum stolidae proditionis opus«, intonierte er.
Eitel ist das Werk, das niederträchtigem Verrat entspringt – und Sighvat nickte, als hätte er es verstanden, und ließ den Raben in die Richtung los, in der die Insel Patmos liegen musste. Mit rauem Krächzen flog der Vogel über die weißgekrönten Wellen davon, und Sighvat gab seine eigene Übersetzung der Worte von Bruder Johannes zum Besten: » Wäre doch eine Schande, Männern, die Ziegen bumsen, eine solche Ausrüstung dazulassen«, sagte er.
Der Rabe kam nicht wieder.
KAPITEL 3
Vom Kamm des Höhenrückens konnten wir hinuntersehen auf das, was von Skala übrig war. Es war eine kleine Stadt, in der die Laternen im Nachtwind schaukelten, der über Felsen und kahles Buschwerk strich. Auf einem Platz, der vermutlich die Ortsmitte war, brannte ein großes Feuer, um das etwa ein Dutzend Männer saßen, die lachten, schwatzten und aus einer gemeinsamen Schüssel aßen. Alle Bewohner der Stadt waren längst in die Wildnis geflohen, soweit sie noch nicht als Sklaven verkauft worden waren.
Diese Seeräuber waren gar nicht so anders als wir. Sie hatten einen guten Tag gehabt und reichlich Beute gemacht, jetzt waren sie in ihrer Freude darüber unvorsichtig geworden und dachten gar nicht daran, dass außer ihnen noch jemand hier sein könnte. Ich schwor mir, daraus zu lernen und in Zukunft immer Wachen einzuteilen.
Damals überlegte ich, ob es Einar ähnlich gegangen war wie mir: Hatte er auch stets diese kleinen, anscheinend nebensächlichen Dinge bemerkt? Hatte er auch manchmal das Gefühl, sein Kopf müsste platzen vom vielen Nachdenken? Und hatte er sich auch manchmal gewünscht, er wäre nicht für diese Horde von Männern verantwortlich, diese Gemeinschaft der Eingeschworenen, die Segen und Fluch zugleich war?
Wir hatten es mit höchster Wachsamkeit bis hierher geschafft. Wir mussten kreuzen, halsen und das nasse Segel, das im Wind hin und her schlug, ständig neu ausrichten. Eine Weile mussten wir es ganz einholen und waren dahingedümpelt,
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