Runenschwert
ständig den kaum sichtbaren Horizont im Auge, auf der Suche nach einem Segel, das zweifellos zu einem Piratenschiff gehören würde.
Dann war wieder Wind aufgekommen, der genau auf Steuerbord stand, und wir konnten erneut die Segel setzen, was diesmal meine Aufgabe war. Es war keine leichte Arbeit, doch ich stellte fest, dass meine Kräfte gewachsen waren. Gisur überließ es mir und dem kleinen Eldgrim – wobei ich sie hochzog und er die Leinen fierte und schließlich festmachte.
Ich war so mit meiner Arbeit beschäftigt, dass ich um mich her alles vergaß, denn es war nicht so sehr ein Ziehen, vielmehr musste man sich mit dem ganzen Körpergewicht aufs Deck fallen lassen, um die Rah – den mächtigen Rundbalken, an dem das Segel befestigt war – am Mast zu hissen.
Das Tau rutschte, wie immer, und sorgte für neue Abschürfungen auf meiner Hand, aber solche Verletzungen hatten wir alle. Sie eiterten und schmerzten und heilten bei der ständigen Nässe nur langsam. Bis auf meine. Bei mir heilten sie schnell ab und hinterließen keine Narben, was mir etwas unheimlich war, denn ich war überzeugt, dass es mit dem Runenschwert zusammenhing.
Doch jetzt war das Schwert weg, und trotzdem schien es nicht anders zu sein, meine Hände heilten genauso schnell wie früher. Das hatte mich ermutigt und ich fing an, Finn und Kvasir zu glauben, die meinten, ich hätte einfach Odins Glück auf meiner Seite.
Ich betrachtete gerade meine neuesten Verletzungen, da schrie Kvasir: » Land in Sicht!«
Alle reckten die Hälse. Richtig, da war es, eine feine dunkle Linie am regennassen, grauen Horizont. Gisur sah mich fragend an, und wie zur Antwort sah ich zum Himmel auf. Wir hatten vielleicht noch vier Stunden Tageslicht und würden das Land in einer Stunde erreichen. Ich gab ihm ein Zeichen, und wir zogen das Segel noch ein Stück weiter hoch, sodass die Woltschok etwas Geschwindigkeit aufnahm.
» Was denkst du, Händler?«, fragte Sighvat.
» Dein Odinsvogel ist schnell geflogen«, sagte ich. Dann wandte ich mich an die anderen, die gerade keine Aufgabe hatten, und befahl ihnen, Waffen und Schilde bereitzuhalten. Sighvat unterhielt sich leise gurrend mit einem der beiden Vögel, die er noch bei sich hatte und strich ihm über den glänzenden schwarzen Kopf. Der Vogel sah mich mit kalten, harten Augen an und riss mit einem warnenden Zischen den Schnabel auf.
Mit unbewegten Gesichtern prüften die Männer Klingen und Lederriemen. Wir waren zwölf, das war alles, was von den Eingeschworenen noch übrig war. Es reichte gerade als Mannschaft für die Knarr, war aber nicht genug für einen Schildwall. Ich überlegte laut, wie viele arabische Seeräuber es hier geben mochte. Radoslaw horchte auf.
» Piraten?«, knurrte er und spuckte über die Bordwand. » Nikephorus Phokas hat den größten Teil von ihnen vor ungefähr fünf Jahren umgebracht oder von Kreta verjagt, wo sie sich lange Zeit festgesetzt hatten. Aber die Überlebenden haben sich anscheinend auf den anderen Inseln niedergelassen. In der Großen Stadt wird man früher oder später etwas gegen sie unternehmen müssen, denn die Überfälle auf Handelsschiffe häufen sich wieder.«
» Die können vielleicht den Griechen Angst einjagen«, sagte Finn, » aber uns kennen sie noch nicht. Wir sind echte Seeräuber und nicht nur ein Schiff voller Ziegenficker.«
Radoslaw nickte nachdenklich. » Der Basileus musste Hunderte von Schiffen mit griechischem Feuer einsetzen, um die Araber auf Kreta zu besiegen. Ein Jahr hat er dazu gebraucht.«
Finn grinste und wischte sich den Mund ab. » In dir steckt zu viel slawisches Blut und nicht genug gutes nordisches – was, Sabberer?«
Kvasir, genannt der Sabberer, brummelte etwas, was niemand richtig verstand, aber Finn klopfte sich auf die Brust und sagte aufgeräumt: » Der Basileus hätte uns das überlassen sollen. Unseren Klingen und Orms klugem Köpfchen.«
Mein Plan war ganz einfach. Ich hatte mich entschieden, nachdem wir an Bord ein Thing gehalten hatten. Wir hatten die Insel erreicht, die Lichter gesehen und waren auf die andere Seite gesegelt, wo wir die Woltschok an Land zogen.
Niemand blieb an Bord, denn jetzt wurde jeder gebraucht. Ich hatte sie mit meinem Plan vertraut gemacht und sie hießen ihn einstimmig gut. Jetzt waren die Männer ungeduldig wie Jagdhunde und überzeugt, dass Starkad uns ausgeliefert war und dass das Geheimnis von Attilas Schatz bald wieder in unseren Händen sein würde.
Ich sah das etwas
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