Runenschwert
regnen.
Drei Tage später regnete es immer noch, und auch der kalte Wind, der diesen Wechsel gebracht hatte, blies mit unverminderter Stärke. Wir waren im Bogen nach Osten marschiert und waren hoch oben in den Bergen. Wir befanden uns ganz in der Nähe des Dorfes Kato Lefkara und der Stadt Lefkara, die als Faruks Hochburg galt. Der Regen war ein unablässiges Nieseln und man musste sich ständig die Augen wischen, und trotzdem schwitzten wir in unseren Rüstungen. Diejenigen, die mit dem Tragen der schweren Säcke dran waren, schimpften noch lauter als die anderen, aber alle hatten es satt, von innen wie außen nass zu sein.
Die Kundschafter kamen aus drei verschiedenen Richtungen. Sie waren alle Dänen, denn keiner von den zwölf übrig gebliebenen Eingeschworenen war besonders gut im Spurenlesen oder Anschleichen. Doch diese drei konnten es, und Halfred, der Thrain widersprochen hatte, beherrschte es am besten. Sie nannten ihn Schielauge, weil sein linkes Auge direkt neben seiner Nase stand, aber das hinderte ihn nicht daran, Spuren genauso sicher zu lesen wie Mönche ihr Latein.
Er ging mit dem leichten, schnellen Schritt des geübten Fährtenlesers, eine Arbeit, die er für Knut gemacht hatte, der seinen Hov am Limfjord hatte. Knut war in ganz Dänemark als unersättlich bekannt; er hatte mit dem Sklavenhandel ein Vermögen verdient, mit Esten und Livländern von der Ostseeküste weiter im Norden, und die nahmen sie mit nach Dyfflin und Jorvik.
Es war Halfreds Aufgabe gewesen, flüchtige Sklaven wieder aufzuspüren, und da Knut zu geizig war, um ausbruchsichere Unterkünfte zu bauen, hatte Halfred genug zu tun gehabt, bis er Lust auf etwas Neues bekommen hatte. Doch dadurch war er unter seinen Kameraden so etwas wie ein Außenseiter, denn wer einmal andere Menschen verfolgt und eingefangen hatte – selbst wenn es sich um entlaufene Sklaven handelte –, war nicht sehr beliebt.
Ich war ganz froh, dass Knut so geizig gewesen war, denn Halfred Schielauge konnte Spuren lesen wie mein Vater einst Wind und Strömungen gelesen hatte. Er war so gut wie die alten Spürhunde der Eingeschworenen, Großnase und Steinthor, die schon lange bei Odin in Walhall weilten.
» He, Händler! Dort, einer dieser Christentempel, mit einer Kuppel«, rief Schielauge. Er nannte mich bei dem Namen, den Finn und die anderen gebrauchten, was ein gutes Zeichen war. » Aber völlig zerstört, genau wie der Hirtenjunge gesagt hat.«
» Man nennt es eine Kirche«, seufzte Bruder Johannes. » Wie oft soll ich euch das noch sagen?«
Die anderen beiden Fährtenleser, Gardi und Hedin Häuter, berichteten, sie hätten nichts weiter gesehen als Regen und Steine und die fernen Berge.
» Hier gibt es keinen Menschen«, sagte Hedin verdrießlich, » aber ich habe Ziegenköttel gesehen, also muss jemand in dieser verfluchten Christengegend leben.« Und weil auch er ein guter Christ war, entschuldigte er sich sofort bei dem durchnässten Bruder Johannes und bekreuzigte sich, aber dann machte er vorsichtshalber das Odin-Zeichen zum Schutz gegen böse Mächte.
Vorsichtig näherten wir uns der Kirche. Wir versuchten, uns so lautlos zu bewegen, wie sechzig Nordmänner in voller Rüstung nur sein können, doch sehr leise war es bestimmt nicht.
Wir erreichten den Kamm des kahlen Hügels und gingen auf der anderen Seite den Abhang hinunter, der nur mit niedrigem Gebüsch bewachsen war. Dann wateten wir durch einen reißenden Fluss und stiegen am anderen Ufer hoch, dorthin, wo die Kirche stand – oder besser drei ihrer rauchgeschwärzten Mauern und die Kuppel, die teilweise eingestürzt war. Die Sonne war milchig weiß und warf keinen Schatten, es roch nach verbranntem Holz und nasser Erde – und nach noch etwas, schwach und süßlich, wie Kotze, wenn man zu viel Met getrunken hat.
» Uff«, knurrte Arnor und hielt sich die aufgeschlitzte Nase zu. » Hier sind Leichen.«
Und ja, da waren sie. Jetzt, wo ich sie suchte, sah ich sie plötzlich überall. Zusammengesunken lagen sie da, wie leere Wasserschläuche, und das Gras wuchs durch sie hindurch. Ich sah gelbliche Knochen und die Fetzen dessen, was von ihren Kleidern noch übrig war, und als Gardi etwas aufhob, was er irrtümlicherweise für einen Stock hielt, verbreitete sich ein so durchdringender Gestank, dass einem die Augen tränten.
Vorsichtig traten wir in das Gebäude, das geplündert und ausgebrannt war. Ich stellte sofort Wachen auf, auch wenn es aussah, als sei monatelang niemand mehr
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