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Runenschwert

Runenschwert

Titel: Runenschwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Low Robert
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hier gewesen. Bruder Johannes kniete nieder und betete, während wir in den Überresten herumstocherten. Der Regen hatte wieder eingesetzt, es war, als weinte der Himmel.
    » Ein merkwürdiger Ort«, murmelte Sighvat, » selbst für eine christliche Kirche. Ich habe ja schon einige davon gesehen, und du auch, Händler, aber diese ist anders. Was sollen denn alle diese Räder hier?«
    Jetzt wo er es sagte, fiel es mir auch auf. Es lagen viele Überreste von zerhacktem und verbranntem Holz herum, auch Metalltrümmer, und überall Teile von Wagenrädern und Speichen. Er hatte recht, selbst für eine griechische Kirche war das ungewöhnlich.
    » Vielleicht weiß es der Ziegenjunge«, sagte ich, aber Sighvat hörte gar nicht zu. Er sah auf zum Himmel, und als ich ebenfalls hochsah, entdeckte ich die kleinen kreisenden Punkte.
    » Krähen?«, fragte ich, denn er hatte sehr scharfe Augen, und ich konnte nicht sehen, in welche Richtung sie kreisten – Krähen waren Linkshänder, wie Sighvat uns immer wieder versicherte.
    Er schüttelte den Kopf. » Milane. Lokis Vögel, sie sind äußerst heimtückisch. Sie verraten unseren Feinden, wo wir sind, denn sie haben gerochen, dass wir die Toten hier gestört haben, und hoffen jetzt, dass es neue geben wird, an denen sie sich sattfressen können.«
    Er fröstelte, und ich bekam eine Gänsehaut, denn ich wusste, dass Sighvat sich bei Vögeln und anderen Tieren nie irrte. Als ich das sagte, sah er mich an und zuckte mit den Schultern. » Meine Mutter sagte immer, wenn der Milan zu mir spricht, würde mich mein Schicksal ereilen. Das wusste sie von einer alten Volva im nächsten Tal.«
    » Können Milane denn sprechen?«, fragte ich. » Ich habe nur gehört, dass Krähen es können.«
    » Sie haben beide keine Stimme«, sagte Sighvat düster. » Aber Tiere können auf viele Arten sprechen.«
    » Es wird dunkel, Bärentöter«, sagte Schielauge. » Wir sollten weiterziehen.«
    Bärentöter. Er hatte die Lagerfeuergeschichten der anderen gehört und war offenbar beeindruckt davon, wie man mich neben dem toten Eisbären gefunden hatte, der einen Speer im Hals stecken hatte. Ich hatte ihn nicht getötet, doch das wusste niemand außer mir. Aber es war ein Name, den ich nicht besonders schätzte. Es war ein Name, bei dem alte Krieger, hungrig nach Ruhm, spöttisch das Gesicht verzogen, als hätte man ihnen einen Wettkampf im Weitpinkeln vorgeschlagen.
    Ich sah wieder hoch zum Himmel, der perlgrau und leer war, bis auf die Milane, die in der Ferne kreisten. Hier hatten wir Wasser und waren vor dem Regen geschützt, aber die vielen Toten, die so grausam zugerichtet waren, machten den Platz bei Nacht unheimlich.
    Ich drehte mich um und gab das Signal zum Weiterziehen, gleichzeitig deutete ich an, dass die Späher vorauslaufen sollten. Da bemerkte ich Bruder Johannes, der den Arm um den kleinen Ziegenhirten gelegt hatte und beruhigend auf ihn einsprach. Der Junge schluchzte, von Weinkrämpfen geschüttelt, und wandte mir sein verrotztes Gesicht zu. Seine Fassungslosigkeit war so übermächtig, dass ihm beim Weinen die Stimme versagte.
    » Seine Freunde«, sagte Bruder Johannes und deutete auf einen Haufen von Leichen.
    Ich sah näher hin, es waren kleinere Bündel aus Knochen und verwitterten Kleiderfetzen. Kinder. Viele Kinder.
    » In diesem Kloster war eine Seidenfabrik«, sagte Bruder Johannes. » Johann Asanes hat früher auch an den Rädern gearbeitet und Seide von den Kokons abgewickelt – diese Arbeit wird immer von Jungen gemacht –, aber er lief weg, weil das heiße Wasser, mit dem man dabei arbeitet, ihm die Hände verbrühte. Er war seitdem nie wieder hier, aber er hatte gehört, dass dieser Faruk das Kloster angegriffen hat. Deshalb wollte er mitkommen.« Er schwieg und klopfte dem Jungen sanft auf die Schulter. » Er dachte, er würde mit einer Armee losziehen und sie alle retten, wie ein Held. Ich glaube, das hier hatte er nicht erwartet. Alle tot. Denk dran, Junge: Consumpsit vires fortuna nocendo …«
    Ich bezweifelte, dass die Nornen ihre Macht, den Menschen Schmerz zuzufügen, verloren hatten. Im Gegenteil, ich hatte immer wieder feststellen müssen, dass die Fähigkeiten der drei Schwestern in dieser Hinsicht unbegrenzt waren. Der kleine Hirt glaubte es auch nicht. Er kniete bitterlich weinend im Gras, schließlich warf er sich, vor Schmerz geschüttelt, auf den Boden.
    » Qui jacet in terra, non habet unde cadat«, rezitierte Bruder Johannes.
    Wer auf dem Boden liegt,

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