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Runenschwert

Runenschwert

Titel: Runenschwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Low Robert
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Bruder Johannes die zitternde Frau am Handgelenk hielt und in die Dunkelheit hinuntersah.
    » Sie hat ihn weggestoßen«, erklärte Bruder Johannes, » als er versuchte … ach, was soll’s. Jedenfalls ist er hineingefallen und hat keinen Laut mehr von sich gegeben.«
    Finn zuckte mit den Schultern. Er ergriff das Seil, an dem der Eimer hing, und zog. Als das Seil stramm war, hob er die Augenbrauen, denn er spürte ein Gewicht. Mit drei weiteren Männern zog er langsam den Eimer hoch, bis Sumarlidis Beine überm Rand erschienen und sie ihn herausziehen konnten.
    Er hatte sich das Genick gebrochen und sein Gesicht drückte immer noch seine Überraschung aus. In der Nähe saß die Araberin und stöhnte leise.
    » Mit dem ist nichts mehr anzufangen«, seufzte Bruder Johannes traurig, und Finn stimmte mit einem tiefen Brummen zu, das teils Mitleid, teils Abscheu ausdrückte.
    » Ein völlig sinnloser Tod«, sagte er und schüttelte sich.
    Doch durch meinen Jarlring sah ich es etwas anders. Mir schien, wenn man ihm einen guten, starken Helm aufsetzte, würde er genau den Rammbock abgeben, den wir brauchten – in der Mitte gebogen.
    Sumarlidi war im Tod nützlicher, als er im Leben gewesen war, aber als wir die Tür endlich aufgebrochen hatten, hätte selbst seine eigene Mutter ihn nicht mehr erkannt. Der Helm war so fest mit seinem Kopf verbunden, dass man ihn nicht mehr abnehmen konnte, also verbrannten wir ihn samt Helm. Finn tötete die Araberin, die wir ihm zu Füßen legten, in der Hoffnung, dass es ihn irgendwie für die Art und Weise entschädigte, wie er gestorben war.
    Bruder Johannes war nicht sehr begeistert davon, doch die anderen sahen ihn finster an, und er wusste, der Christenglaube war für sie alle noch zu neu, so schnell änderten Nordmänner ihre rauen Sitten und Gebräuche nicht. Doch von mir hatte er anscheinend eine gewisse Unterstützung erwartet, denn später sah er mich lange an und sagte: » Je länger du in den Abgrund starrst, desto dunkler wird er.«
    Das war, nachdem die Eingeschlossenen den Versuch gemacht hatten, sich zu ergeben, als die Tür aufgebrochen war. Sie schrien verzweifelt in ihrer Sprache, warfen Pfeile und Bogen hin und streckten uns flehend die Hände entgegen. Doch die Eingeschworenen ließen sich nicht erweichen; sie brachten alle um, weil sie ihnen so viele Schwierigkeiten gemacht hatten.
    » Sie waren mutig«, gab Bruder Johannes zu bedenken und versuchte mich zu überreden, dem Töten Einhalt zu gebieten. Das war naiv, denn dazu hatte ich kein Recht, und ich wurde wütend auf ihn.
    » Eine Ratte, die man in die Enge treibt, hat ebenso viel Mut«, fauchte ich ihn an. Der Geruch von Blut stieg mir in die Nase, und ich ging, um das zu suchen, weswegen wir gekommen waren. Der Behälter war dort, wo es mir beschrieben worden war: im Raum des Hauptmönchs, unter der Steinplatte, auf der das Kohlebecken stand. Ich nahm es, stopfte es in meine Tunika und befahl allen, sofort aufzubrechen.
    Wir blieben gerade noch lange genug, um Sumarlidi und den zahnlosen Lambi zu den toten Arabern in die Kirche zu legen und diese anzuzünden. Dann beeilten wir uns, in die Dunkelheit zu entkommen, wo wir uns sicherer fühlten.
    Wieder ein Gotteshaus, das brannte, und weitere Männer tot. Im Dunkeln, als der feuchte Wind mein Gesicht kühlte, wurde mir übel, und ich musste kotzen. Ich fühlte eine sanfte Hand auf meinem Rücken, und obwohl ich dabei lieber nicht gesehen werden wollte, hatte ich keine Kraft mehr, ich konnte nur noch würgen.
    Bruder Johannes klopfte mir sanft auf die Schulter, und ich hörte seine tiefe Stimme: » Facilis descensus Averno.« Der Weg hinunter zur Hölle ist leicht.
    Scheiß drauf, was wusste er denn davon? Er musste schließlich nicht den Anführer spielen.

KAPITEL 6
    Ich hielt ihn, er war klein und leicht wie ein Vogel. Er wurde so stark von Schluchzern geschüttelt, dass es schien, als ob sein Brustkorb zerspringen müsse. Ich wollte ihn fester an mich drücken, doch vor den anderen war es mir etwas peinlich, und ich hatte auch keine Worte des Trostes für ihn; die hatte niemand. Schließlich nahm Bruder Johannes mir den kleinen Hirtenjungen ab und ging mit ihm zum Bach, um ihm Rotz und Tränen abzuwaschen.
    Wir anderen standen frierend und müde in der Morgendämmerung herum. Dünne Nebelschwaden waberten wie Hexenhaar um die Ruinen, die Maulbeerbäume und die Leichen, die schwarz und verkohlt dalagen. In den Bäumen saßen Krähen und protestierten laut

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