Runenschwert
sagte Bruder Johannes, der gerade nach dem Hirtenjungen gesehen hatte, der warm eingewickelt dalag. Durch das dunkle Haar wirkte er noch blasser, aber er atmete, wenn auch mühsam.
Der Quästor gab uns ein geprägtes Bronzemedaillon, die Genehmigung, in den Hafen einzulaufen. Wir zerbrachen uns immer noch die Köpfe über diesen merkwürdigen Nabites; ein Name, mit dem niemand etwas anfangen konnte.
Wir kamen in die Bucht, wo sich die weißen Häuser von Seleukia – einer ziemlich großen Stadt – vom Hafen bis nach oben auf den Berghang hinzogen. Merkwürdigerweise schien direkt am Wasser ein Wald zu sein, was uns alle überraschte, bis wir feststellten, dass es sich nicht um Bäume, sondern um Schiffsmasten handelte.
Keiner von uns hatte je so viele Schiffe auf einmal gesehen. Wir standen da und gafften, bis Gisur uns anschrie und mit einem geteerten Tauende aufs Deck schlug, um uns an unsere Aufgaben zu erinnern, damit wir nicht mitten in diese Flotte hineinsegelten.
Neben den großen Versorgungsschiffen und den noch größeren Kriegsschiffen fühlten wir uns wie ein winziges Stück Treibholz. Wir schlängelten uns zwischen den kleineren Galeeren und den dickbäuchigen griechischen Handelsschiffen hindurch, die unserer alten Knarr zum Verwechseln ähnlich sahen. Finn stand im Bug, zeigte jedem Schiff der Küstenwache das Bronzemedaillon und fluchte mit seinen paar Brocken Griechisch, wenn sie zu dicht herankamen.
Doch unser Schiff war das einzige Hafskip, und deshalb war es nicht schwer, einen guten Ankerplatz in der Nähe der Stadt zu finden, denn keines der anderen Schiffe konnte in so flachem Wasser ankern. Ich hätte sie am liebsten ganz an Land gezogen, denn ich wusste, wir würden sie eine Weile verlassen. Aber sie war fünf Jahre lang vernachlässigt worden, und Gisur wollte sie diesem Härtetest nicht unterziehen.
Das Hafskip blieb nicht unbemerkt, was sich zeigte, als wir sie so weit ins flache Wasser gezogen hatten, wie Gisur es für angebracht hielt, und dann an den Strand wateten, um sie zu vertäuen. Ich war schon halb über Bord, als der kleine Eldgrim mich bei der Schulter packte und auf eine Gruppe von Leuten aufmerksam machte, die offenbar auf dem Weg zu uns waren.
Es waren Männer und Frauen, Kinder und Hunde, die aufgeregt durcheinanderschwatzten – und alle in reinem Westnordisch. Ich bekam sofort schreckliches Heimweh. Und die Leute hatten etwas schon lange nicht mehr gesehen – ein nordisches Schiff, dessen Stevenköpfe taktvoll entfernt worden waren –, und deshalb kamen sie angerannt.
In einiger Entfernung blieben sie stehen, was höflich und vernünftig zugleich war, dann trat einer vor und begrüßte uns, ein großer Mann in einer schönen Tunika aus Leinen und einem guten Sax am Gürtel. Sein blondes Haar war in zwei dicke Zöpfe geflochten und sein Bart sauber gestutzt – in einem Wort, er sah aus wie ein rechtschaffener nordischer Bauer. Was in diesem Land ein so unerwarteter Anblick war wie ein Kalb mit zwei Köpfen.
» Ich bin Olvar Skartisson«, stellte er sich vor. » Seid willkommen, liebe Gäste. Wer ist euer Anführer?«
Ich sagte es ihm, während die Männer an den Strand wateten und sofort anfingen, mit den Mädchen und Frauen zu plaudern und zu schäkern. Schließlich sprang auch der Letzte ins Wasser und kam grinsend an Land.
» Seid ihr gekommen, um bei uns zu bleiben?«, fragte Olvar Skartisson, und wir machten es uns an Ort und Stelle im Sand und auf den Steinen bequem, denn plötzlich waren auch Bier und Brot da, und wir fingen an zu erzählen.
Es stellte sich heraus, dass dieser Nabites ein Jarl namens Toki Skarpheddin war. Die Griechen nannten ihn Nabites, weil sein Spitzname Nabitr war, was im Nordischen so viel wie » scharfzüngig« bedeutete – wieder so ein nordischer Witz, den die Römer nicht verstanden. Ich kannte diesen Jarl nicht, aber Sighvat sagte, er sei ein bekannter und mächtiger Mann, der einst auf der Seite von Harald Graumantel gekämpft hatte, der in Norwegen König werden wollte.
Olvar bestätigte das, dann fuhr er mit seiner Geschichte fort. Harald Graumantel, ein guter Christus-Anhänger, war von den heimtückischen Kriegern des heidnischen Hakon von Hladir – Blauzahns Mann in Norwegen – getötet worden, und Skarpheddin musste mit seinen Männern fliehen.
Da sie ihre Familien nicht zurücklassen konnten, nahmen sie sie kurzerhand mit, und die Schiffe, auf denen sie gesegelt waren, lagen jetzt in Aldeigjuborg. Sie hatten
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