Runenschwert
und waren darauf bedacht, kein Schweinefleisch mit ihren Tischmessern und den neumodischen zweizinkigen Gabeln in Berührung zu bringen. Die Christen unter den Nordmännern rochen misstrauisch am Braten, um sicherzugehen, dass es auch ja kein Pferdefleisch war; nur die Anhänger der alten Götter lachten und aßen unbekümmert drauflos, allerdings versuchten einige von ihnen, in betrunkenem Zustand mit den kleinen spitzen Gabeln zu essen und stachen sich dabei in die Wange oder die Zunge, was ihnen die Freude am Essen verdarb.
Schließlich trat Skarpheddin vor, dickbäuchig und mit dünnen Beinen, hob die Hände und rief nach seinem Skalden, ehe er auf seinem Thron Platz nahm; offenbar war er eine zu hochgestellte Persönlichkeit, um selbst zu sprechen. Der Skalde, blond und mit dunklen Schweißflecken auf seiner schönen grünen Tunika, verkündete, der große Jarl wolle den guten Göttern des Nordens ein Opfer bringen.
Unter den Juden, Muselmännern und Christus-Anhängern entstand eine leichte Unruhe, und Finn, der schrecklich schwitzte, murmelte etwas von Odins Arsch. Dann entdeckte er etwas und erstarrte. » Starkad«, sagte er.
Den Kopf vorgereckt, wie ein Jagdhund auf der Fährte, starrte dieser zurück. Er trug den Säbel mit der Runenschlange – heute Abend waren alle bewaffnet –, und seine Hand schwebte über dem Griff wie eine weiße Spinne, berührte ihn aber kaum. Seine Augen, blauweiß wie Eis, starrten mich an, so als wolle er mich allein mit seinem Hass in Brand setzen.
So standen wir da, und jeder gierte nach dem, was der andere hatte, waren aber beide handlungsunfähig angesichts der drohenden Folgen, die wir entfesseln würden, wenn wir uns jetzt an die Kehle gingen. Mit zitternden Knien stand ich da, der Schweiß lief mir zwischen den Arschbacken herunter, und ich überlegte, wie sicher der kleine Lederbehälter war, der auf der Elk in meiner Seekiste schlummerte. Skarpheddins Skalde kam mit seinem Geleier zu einem Ende, und durch die Zuhörer ging ein Aufatmen, das klang wie eine plötzliche Böe auf See.
Doch es war noch nicht zu Ende. Bruder Johannes knurrte, als hätte man ihm einen Schlag versetzt, dann machte er schnell sein Abwehrzeichen.
Selbst Skarpheddin hatte nicht gewagt, sich seiner Mutter zu widersetzen, also kam sie angehumpelt, in ihren Umhang aus Katzenfell gehüllt und mit Fetischen und Amuletten behängt. Alle Christus-Anhänger schlugen das Kreuz, und Jarl Brands Männer machten das Zeichen gegen den bösen Blick.
Doch es war nicht Thorhalla, die Bruder Johannes’ Unmut erregte. Es war Skarpheddins Fostri, die Pflegetochter, die von Thorhalla ausgebildet wurde, um einst ihren Platz einzunehmen, und die ihr nun folgte, majestätisch und unantastbar.
Sie trug ein Gewand von der Farbe eines düsteren Himmels, auf dem Glasperlen glitzerten. Eine Haube aus schwarzem Lammfell, gefüttert mit weißem Katzenfell, war über das blonde Haar gezogen, und in der Hand trug sie einen Stab mit einem Messingknauf, aus dem ein Bündel Rabenfedern herausragte, bei deren Anblick Sighvat die Luft anhielt.
Sie trug einen Gürtel aus Zypressenholzstücken, verziert mit kleinen Haselstrauchästen – Freyas Baum – und daran hing ein großer Beutel aus Fell. Ich wusste, dass ihre Talismane darin waren. Sie trug Schuhe aus zotteligem Kalbfell und Handschuhe aus Katzenfell, und doch sah man kein Zeichen von Schweiß auf ihrem Gesicht. Und selbst jetzt, wo alle meine Hoffnungen ein für alle Mal zerstoben, fand ich Svala so schön wie nie zuvor.
» Sie hat dir deinen Raben genommen«, sagte ich zu Sighvat, und er stöhnte vor Zorn laut auf.
» Aber was noch schlimmer ist«, sagte er, indem er die Hand auf meinen Arm legte und mich wegzog, » ich glaube, dir hat sie das Herz gestohlen.«
Meine Ohren dröhnten, und für einen Moment schien alles vor meinen Augen zu verschwimmen, dennoch erkannte ich in diesem Moment mit untrüglicher Deutlichkeit, dass dies mein Wyrd war. Die wahre Liebe würde mir versagt bleiben. Ich würde mich immer mit ihrem Schatten zufriedengeben müssen.
» Vor ihrem Volva-Stab werde ich mich jedenfalls nicht beugen«, sagte ich leise und ohne, dass Sigvhat es mitbekam.
Der Sechstägige mit Honig ist eine tückische Sache. Am Abend macht er dich stark wie ein Gott, aber im fahlen Licht des nächsten Morgens liegt er dir auf dem Magen wie ein kalter Leichnam.
Ich wachte auf, obwohl man es kaum als Schlaf bezeichnen kann, was in der Zwischenzeit mit mir passiert
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