Runlandsaga - Die Schicksalsfestung
der Halle, dass Enris nach Atem ringen musste. Er wollte so schnell wie möglich fort von hier.
»Heb sie auf, dann setze dich mit ihr auf meinen Rücken«, wies Jahanila ihn an. »Sie wird sicher noch eine Weile bewusstlos bleiben.«
Immer noch hustend eilte Enris zu Neria. Ihre Augenlider flackerten, als er sie anhob, um sie anzuziehen. Als er sie in seine Arme nahm und mit ihr zu Jahanila schritt, stöhnte sie leise, als träume sie schlecht.
Er schob sie rittlings auf den Rücken der Drachenfrau und setzte sich hinter sie, so dass er sie stützen konnte.
»Wirst du uns beide tragen können?«, fragte er Jahanila mit einem Blick auf ihren halb durchtrennten Schwanz.
»Es ist nicht weit«, erwiderte die Feuerpriesterin. »Bis zum Schlachtfeld vor der Stadt werde ich es schon schaffen. Hoffentlich kommen wir nicht zu spät!«
Mühsam setzte sie sich in Bewegung und humpelte zum Ausgang der Halle, wo sie ihre Schwingen eng an ihre Flanken presste, um durch den Gang mit der steinernen Treppe nach oben zu passen. Auf der verlassenen Straße vor dem Eingang zur Zisterne begann sie zu laufen, so schnell es ihr in ihrem erschöpften Zustand möglich war. Ihr Körper schrie nach einem Heilzauber, doch dafür war keine Zeit. Sie breitete ihre Schwingen aus und stieß sich vom Boden ab. Ihre Erschöpfung war so stark, dass sie glaubte, ihr Körper und die Last, die er zu tragen hatte, bestünden aus Blei. Schon nach wenigen Fuß Weg berührten ihre Beine erneut den Boden, und sie musste sich noch zweimal vom Steinpflaster abstoßen, bis sie endlich in der Luft blieb.
In einem engen Bogen kehrte sie zum Stadtrand zurück. Unter sich sah sie zweimal Gruppen von Maugrim, die es an dem Kreis der Verteidiger vorbei und bis ins Innere der Stadt geschafft hatten. Sie lieferten sich harte Gefechte mit jenen Serephinkriegern, die nicht für die Falle abgestellt worden waren. Enris blickte zu den Kämpfenden hinab und hoffte, es würde sich kein weiterer Maugrim zu den Temariflüchtlingen durchschlagen können. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er sich in der Eile ihres Aufbruchs nicht einmal von Glabra und den anderen Verteidigern der Zisterne verabschiedet hatte. Vielleicht war es besser so. Es stimmte, was Jahanila gesagt hatte: Sie gehörten nicht an diesen Ort und in diese Zeit. Je schneller seine Vorfahren wieder vergaßen, dass sie jemals mit zwei sehr merkwürdigen Temari zu tun gehabt hatten, die sie zum Kampf gegen die Maugrim überredeten, desto geringer war die Gefahr, dass Neria und er mit ihren Taten Runlands Zukunft völlig verändert hatten.
Vielleicht ist es aber auch genau anders herum , schoss es ihm durch den Kopf. Vielleicht haben wir gerade durch das, was wir getan haben, dafür gesorgt, dass die Geschichte der Menschen jenen Verlauf nahm, an den wir uns erinnern. Wir werden es nie wirklich wissen ...
Schreie rissen ihn aus seinen Gedanken. Der Gennáharis hämmerte Enris hier unter freiem Himmel so drückend auf den Kopf, dass ihm schwindlig wurde. Er blinzelte und sah am Hals der Drachenfrau entlang, um seinen Geist auf etwas Beständiges wie den Horizont auszurichten. In mehreren hundert Fuß Entfernung tobte die Schlacht um Mehanúr. Mehr als die Hälfte der Verteidiger, die einen Ring um die Errichter der Falle in ihrer Mitte gezogen hatten, lagen bereits tot im niedergetrampelten Gras. Die riesigen unförmigen Gestalten der Dron’marr schwebten bedrohlich zwischen den angreifenden Maugrim. Wolken von Clar’catt schwirrten über die Köpfe der Kämpfer hinweg, um zu den Kriegern und Priestern im Kern des Heeres vorzudringen. Blitze und Feuerbälle zuckten durch die Luft, schleuderten sie zu Boden oder setzten sie in Brand, bevor sie weiter vordringen konnten, doch es kamen immer wieder neue nach.
Enris konnte spüren, dass Neria wieder zu sich kam. Ihr Körper, den er an sich gepresst festhielt, wurde unvermittelt steif, als spanne sie alle Muskeln an.
»Wo sind wir?«, fragte sie mit belegter Stimme. Sie versuchte, ihren Kopf zu drehen um Enris in die Augen sehen zu können, aber es glückte ihr nicht. Ein leises Stöhnen entkam ihrem Mund.
Enris legte ihre eine Hand auf die Schulter. »Ich bin es, keine Angst! Wir haben die Maugrim in der Zisterne zur Strecke gebracht – einen großen Teil des Kampfes hast du übernommen. Dir können es die Flüchtlinge verdanken, dass sie sicher sind.« Er machte eine kurze Pause, falls Neria etwas darauf erwidern wollte, aber sie antwortete nicht, daher fuhr
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