Runlandsaga - Die Schicksalsfestung
vereinten Kräften keinen Erfolg haben würden, als er ein leises Zittern unter seinen Händen zu verspüren meinte. Gleichzeitig stöhnte Deneb auf: »Sie gibt nach!«
Erneut schoben sie so angestrengt, dass ihnen die Adern an den Schläfen hervortraten. Endlich bewegte sich die Wand. Stück um Stück ließ sie sich in den Fels hineinschieben und gab zu beiden Seiten ein schwarzes Loch frei, dem eisige, feuchte Luft entströmte.
»Ich werd verrückt!«, schnaufte Deneb, immer noch das Gewicht seines Körpers gegen den Fels stemmend. »Sieh dir das an! Da unten sind am rechten und linken Rand Schienen im Gestein.«
Der Priester hörte ihn kaum, sondern schob weiter, was seine Muskeln hergaben. Ein leises metallisches Klirren ertönte, und die Tür ließ sich nicht weiter bewegen. Völlig erschöpft, aber mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen rutschte Pándaros an ihr zu Boden und setzte sich hin. »Bei den Hörnern des Sommerkönigs«, brummte er heiser. »Wir haben es wirklich geschafft.«
Deneb berührte vorsichtig die Kanten der Tür, deren Vorderseite so nahtlos mit dem Fels verbunden gewesen war, dass sie dem Auge kaum aufgefallen wäre, wenn nicht das Licht der untergehenden Sonne sie beschienen hätte. Sie war mehr als einen Fuß dick. Hinter ihr führte ein breiter Gang in den dunklen Berg. An ihrem oberen und unteren Ende waren die Schienen zu erkennen, entlang derer sie nach hinten geschoben werden konnte, um an ihr vorbei in den Berg zu treten.
»Was für ein unglaubliches Kunstwerk«, sagte er ehrfürchtig. »Das ist Zwergenarbeit, wenn ich je eine gesehen habe.«
»Ich frage mich nur, warum dieser Eingang nicht bewacht ist«, überlegte Pándaros, der sich im Sitzen umsah. »Keine Wache, kein Licht ... ich dachte, irgendjemand würde uns begrüßen, sobald wir an die Tür klopfen. Aber nichts. Alles ist still wie in einer Gruft.«
»Das ist allerdings eigenartig«, pflichtete ihm der Archivar bei. Er drehte sich um und stapfte durch den Schnee zu ihrem Gepäck. »Eine Fackel wird uns bestimmt besseren Überblick verschaffen. Mit dicken Ästen von dem Strauch dort drüben, etwas Stoff und Öl werden wir schon genügend Licht ins Dunkel unserer Fragen tragen.«
Er bückte sich, um seine Reisetasche zu öffnen, als er unter seinen Beinen ein Zittern verspürte, das schnell immer stärker anschwoll. Der Boden bebte, so dass der zuoberst liegende Schnee auf der dicken weißen Decke in feinen Wolken in die Luft stob. Er geriet ins Wanken und strauchelte fast. Über sich vernahm er ein dumpfes Brummen, das rasch lauter und lauter anschwoll. Überrascht blickte er hoch. Was er sah, ließ ihm vor Schreck den Atem in der Kehle stocken.
Die gesamte Felswand über ihm war in Bewegung. Eine riesige weiße Schneefläche war unterhalb des gezackten Granitgipfels abgesackt und stürzte donnernd in die Tiefe, genau auf ihn zu. An ihren Rändern schäumte der Schnee gleich überkochender Milch.
»Was ist das?«, hörte er wie aus weiter Ferne Pándaros vom Eingang her rufen.
Deneb antwortete nicht, sondern griff in einer schnellen Bewegung nach seiner Reisetasche und dem Rucksack seines Freundes. Von Panik ergriffen sprang er vorwärts, auf das Loch in der Wand zu. Dröhnendes Donnergrollen, beständiger als das eines Gewitters, füllte seine Ohren. Gerade in dem Moment, als er in die Sicherheit des Eingangs lief, erreichte ihn der erste Ausläufer. Schnee klatschte ihm schwer auf Kopf und Schultern. Er taumelte und sackte diesmal tatsächlich zusammen.
Doch bevor ihn die volle Wucht der Schneemassen treffen konnte, fühlte er sich hart am Arm gepackt und ohne viel Federlesens ins Innere des Ganges gezogen. Hinter ihm donnerte die Lawine mit voller Wucht zu Boden. Ihr Grollen hallte so laut durch die Höhle, dass er glaubte, die Decke würde über ihm einstürzen.
Der herabfallende Schnee füllte innerhalb weniger Momente den Eingang aus und verdunkelte ihn. Deneb hielt noch immer sein Gepäck und das seines Freundes umklammert, als hinge sein Leben davon ab. Benommen spürte er hinter sich, wie weiterhin Schnee ins Innere des Ganges gedrückt wurde, gleichzeitig rissen ihn mehrere Hände vorwärts, fort von dem Loch in der Felswand. Er vernahm raue Worte in einer Sprache, die er nicht verstand. Noch immer rumpelte der steinerne Boden unter seinen Füßen.
Das weite Land der nördlichen Steppe, das Hundsrosental und die emporragende Mauer der Eisenberge waren von einem Augenblick auf den anderen
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