Runlandsaga - Die Schicksalsfestung
verschwunden, als wäre eine Tür hinter Deneb zugeschlagen worden. Zurück blieben nur Dunkelheit und die Kälte der erstickenden Schneemassen um ihn herum.
15
Die Frau mit den feuerroten Haaren rührte sich im Schlaf und zog ihre Decke fester um sich, was allerdings auch nicht viel gegen die Kälte half. Vereinzelte Schneeflocken tanzten aus der Finsternis des Nachthimmels über ihr herab und landeten auf ihrem Kopf. Sie hätte es den anderen gleichtun und in der Höhle der Piraten schlafen können.
Deren frühere Besitzer, Shartans Männer, hatten sich wie verabredet zurückgezogen, wenn auch nicht ohne sich genügend Zeit zu lassen, um einen großen Teil ihrer Beute auf ihr Schiff zu schaffen, mit dem sie schließlich die Insel Irteca verlassen hatten. Doch Suvare wollte am Eingang zur Plattform in der Nähe der Zisterne, die sich als ein Portal zur Welt der Dunkelelfen herausgestellt hatte, Wache halten. Wenn irgendjemand aus diesem magischen Ding herauskommen sollte, hoffte sie es als Erste zu erfahren.
Mehrere Tage waren vergangen, seitdem Enris und Neria in dem Portal verschwunden waren. Wo auch immer sich der junge Mann und die Wolfsfrau gerade aufhielten, lief irgendetwas ganz und gar nicht nach Plan. Allmählich wurden die Männer ungeduldig. Vor allem Aros und Larcaan fragten immer öfter und lauter nach dem Sinn ihres Hierbleibens. Der Hauptmann hätte sich am liebsten so schnell wie möglich zum Regenbogental aufgemacht, um dessen Bewohner und die Flüchtlinge der nördlichen Hafenstädte zu beschützen. Suvare war aber entschlossen, den beiden soviel Zeit zu geben, wie sie benötigten. Eine andere Wahl war ihnen nicht geblieben. Sollten sie etwa umkehren, ohne Verbündete gegen die Serephin gefunden zu haben?
Auch im Schlaf fühlte Suvare die Kälte, die seit Tagen über der Insel vor der Nordküste aufgezogen war. Es fiel ihr nicht schwer, dieses für den Sommer völlig unnatürliche Wetter mit den unheimlichen Wesen in Verbindung zu bringen, die Runland um jeden Preis vernichtet sehen wollten. Ihren Begleitern ging es ebenso. Jede Nacht hoffte sie inständig vor dem Einschlafen, dass endlich Nachricht von Enris und Neria kommen würde. Aber nichts geschah. Wieder und wieder war sie in der eisigen morgendlichen Kälte erwacht, während erneut ein wenig ihrer Hoffnung wie die Mauern einer Sandburg bei Flut fortgespült worden war.
Als die Zisterne von einem Moment zum anderen in einem hellblauen Licht erstrahlte, glaubte sie zunächst, dass sie noch immer schlief. Es war nichts weiter als ein Wunschtraum.
Doch das Bild vor ihren Augen änderte sich nicht, wie es in ihren Träumen oftmals geschah. Das Wasserbecken schimmerte, als hätten dessen Steine in ihrem Inneren ein kaltes Feuer entzündet. Es erhellte die nächtliche Plattform und vertrieb deren Schatten. Allmählich erkannte Suvare, dass sie nicht schlief, sondern ihre Augen schon seit einer Weile weit geöffnet hatte. Ruckartig kam sie auf die Beine und sah, dass Corrya, der Hauptmann der Wache von Andostaan, hinter ihr im Eingang stand, reglos wie aus Stein gehauen. Das blaue Licht der Zisterne malte seinen Gesichtszügen eine fahle Farbe. Entgeistert starrte er das Wasserbecken an.
»Wie lange leuchtet das Portal schon so?«, flüsterte Suvare. Eben aus dem Schlaf herausgerissen hörte sich ihre Stimme noch heiserer als sonst an.
»Ich weiß es nicht«, gab Corrya leise zurück. »Ich bin aufgewacht, weil ich das Gefühl hatte, dass irgendetwas anders war als sonst. Also ging ich die Treppe hoch, und das Becken leuchtete, wie jetzt.«
Vorsichtig näherte sich Suvare der Zisterne. Sie streckte eine Hand aus. Der Wachmann hinter ihr öffnete seinen Mund, um sie zu warnen, doch sie berührte schon sacht die Steine. Es ging keinerlei Wärme von ihnen aus. Suvare drehte sich zu Corrya um. »Ich glaube, wir haben soeben eine Einladung erhalten. Sollen wir sie annehmen?«
»Du meinst ...« Corrya sprach nicht weiter.
Sie nickte. »Niemand ist hindurchgetreten, aber dennoch leuchtet das Portal schon seit einiger Zeit.«
Der Wachmann seufzte tief. »Also gut, versuchen wir es. Ich bin das tagelange Warten in diesem unnatürlichen Wetter leid.«
Suvare stieg auf den Rand der Zisterne. Sie blickte auf die Wasseroberfläche hinab. Obwohl diese von keiner Welle gestört wurde, konnte sie ihr Spiegelbild darin nicht sehen. Stattdessen schimmerte es aus der Tiefe des Beckens wie aus dessen Steinen leuchtend hellblau.
»Ich hoffe, dass wir auf
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