Runlandsaga - Die Schicksalsfestung
nach vorn gezerrt, auf das fremdartige Gesicht zu, dessen gefletschte Zähne blitzten, als der Serephin ihn mit dröhnender Stimme anherrschte: »Aufstehen!«
Deneb stöhnte und versuchte, sich aus dem Griff zu entwinden, aber ohne Erfolg. Die Hand hielt ihn eisern fest.
»Los, hoch mit dir, Solpriester! Schlechte Nachrichten können so wenig warten wie alte Leute mit schwachen Blasen.«
Mit einem Ruck wurde Deneb aus den Kissen gezogen. Die Stimme des Serephins verwandelte sich wieder in den kaum weniger beeindruckenden, rauen Ton von Rotgar, und es war seine Hand, die ihn wachrüttelte.
»Was ... was ist denn los?«, stammelte der Archivar schlaftrunken. Noch immer spukte ihm ein Rest des Alptraums durch den Kopf und wollte nicht weichen. Sein verwirrter Blick irrte durch den Raum und fand Rotgars Gefährten Gramil und Alfaard, die am Eingang des Gästezimmers in der Tür lehnten. Der Jüngere der beiden hob eine Hand zum Gruß und lächelte knapp, während der andere zu Boden stierte.
Rotgar löste seine Hand von Denebs Robe. »Ein Riesenärger, das ist los«, sagte er zornig und ließ sich neben Deneb auf das Bett plumpsen, dass dessen Holzrahmen aufstöhnte. Der Priester bemerkte, dass der Zwerg sein edles Wams mit einer einfachen und ein wenig abgetragenen Lederrüstung vertauscht hatte. »Angarn, verflucht soll er sein, hat das Thing auf seine Seite gebracht.«
»Das Thing?«, fragte Deneb verständnislos.
»Die Versammlung aller Khorazon im waffenfähigen Alter. Mein Vater rief das Thing aus, als ich ihm erzählte, dass die Himmelsträne eine Botschaft an uns hätte. Ich sagte ihnen, was das Orakel mir verkündet hatte, und auch, was dein Freund und du uns erzählt habt.«
»Pándaros – fandet ihr eine Spur von ihm?«, unterbrach ihn der Archivar.
Rotgar schüttelte den Kopf. »Nein, die Priester ließen uns nicht zurück in die Stillen Hallen. Seitdem wir in ihrem Tempel aufgetaucht sind, bewachen sie den Eingang zu den Grüften unserer Vorväter so scharf wie Kettenhunde.«
Zögernd lehnte er sich zu Deneb vor, der aufrecht in seinem Bett saß. »Dieses ... Wesen, das sich deinen Freund geschnappt hat ... Das war eines dieser Ungeheuer, von denen ihr erzählt habt, nicht wahr?«
Der Archivar nickte stumm.
»Dachte ich es mir doch! Ich habe dem Thing gesagt, dass wir zu den Waffen greifen und nach Norden ziehen müssen, zu der Festung, von der ihr beide gesprochen habt. Ich hätte dich mit zu der Versammlung genommen, damit du selbst allen von der Gefahr für unsere Welt hättest erzählen können, aber du bist ein Fremder.«
»Unsere Gesetze verbieten es, dass Fremde auf dem Thing sprechen«, ließ sich Alfaard mit abgewandtem Gesicht von der Tür her vernehmen. Deneb glaubte seinen Ohren nicht zu trauen, aber in der Stimme des alten Griesgrams schwang ehrliches Bedauern mit.
»Mein Vater glaubt mir natürlich«, fuhr Rotgar fort. »Und er ist bei weitem nicht der Einzige. Aber dann ergriff Angarn das Wort, und er hat alles zunichte gemacht.«
»Wer ist Angarn?«, fragte Deneb.
Anstelle einer Antwort spuckte Rotgar kräftig auf den Boden.
»Er ist der Vorsteher des Tempels«, sagte Gramil an seiner Stelle. »Dieses Amt hat immer der Älteste unter den Priestern inne. Angarn trägt schon länger die Robe des Vorstehers als König Svein seine Krone.« Er bemerkte Rotgars wütenden Blick und räusperte sich.
»Ich hätte gute Lust, in den Tempel einzufallen und mit seinem Blut die Wände neu zu streichen!«, bellte dieser und sprang auf, um erregt den Raum zu durchschreiten. Deneb folgte ihm unruhig mit seinen Blicken. »Der räudige alte Hund wollte schon immer mehr Einfluss für sich und seine Priester. Hörte nicht auf, von dem Frevel zu schwafeln, den wir angeblich begangen hätten. Dass der andere Weg versperrt war und wir mit unserer Botschaft so schnell wie möglich zurück nach Goradia mussten, kümmerte ihn nicht. Die Tat sei sogar noch unverzeihlicher, weil sie der Sohn des Königs begangen hätte!«
»Was heißt das?«, fragte Deneb.
»Wir sind verbannt worden«, erwiderte Alfaard bitter, immer noch ohne ihn anzusehen. »Man hat uns bis zum Ende des heutigen Tages Zeit gegeben, unsere Habseligkeiten zusammenzupacken und Goradia zu verlassen. Wenn wir ab morgen noch hier angetroffen werden, hat jeder Khorazon das Recht, uns zu töten, ohne dafür behelligt zu werden.«
»Das kann nicht wahr sein!«, entfuhr es Deneb. »Selbst Ihr, der Sohn des Königs, seid
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