Runlandsaga - Die Schicksalsfestung
verzweifelten Gedanken. »Enris, glaub mir, nichts wäre mir lieber, als wenn du mit mir auf die Suche nach der Schicksalsfestung kommen würdest. Aber das ist nicht dein Weg, und wir beide wissen es. Die Anführer der Dunkelelfen sagen es selbst: Das Ende des Weges kann ich nur allein gehen. Mit Suvare und ihrer Mannschaft habe ich die besten Begleiter an meiner Seite, um mich bis an jene Biegung auf meinem Pfad zu bringen, von der an ich auf mich selbst gestellt sein werde.«
Ihre Entscheidung war die Richtige. Aber das bedeutete nicht, dass sie deshalb weniger schmerzte. Er rang nach Atem. Wenn es wahrhaftig seine Bestimmung war, die unterschiedlichen Völker Runlands in ihrem Kampf gegen die Serephin zu vereinen, dann durfte er seine eigenen Wünsche nicht an die erste Stelle setzen.
»Gut, ich werde mit den anderen Carn Taar aufsuchen«, sagte er schweren Herzens. »Wir werden den Wächterdrachen solange verteidigen, bis du auf deiner Suche nach der Schicksalsfestung Erfolg gehabt hast.«
»Es ist der einzige Weg« , bekräftigte der Chor der Ainsarii. »Ohne die Fürsprache der Schicksalsherrin wird diese Welt vernichtet werden.«
»Aber wo ist dieser Ort, an dem sich der letzte Drache aufhält?«, verlangte Alcarasán zu wissen. »Die Serephin kennen ihn noch nicht, und hoffentlich komme ich rechtzeitig, um zu verhindern, dass sie ihn von dem gefangenen Temari erfahren. Kennt ihr ihn denn? Wohin werdet ihr euch wenden, um ihn zu verteidigen?«
»Wir kennen ihn«, erklang die Vielzahl der Ainsariistimmen. »Die Ältesten unter uns sind jene, die von Oláran in diese Welt geführt wurden und als Erste ihre Kraft des Gestaltwandelns aufgaben, um mit ihr die vier Wächterdrachen zu erschaffen. Wir wissen um ihre Lager.«
»Dann sagt uns, wohin wir uns wenden sollen!«, forderte Enris sie ungeduldig auf.
»Die magische Kraft, die den Drachen ihr Leben verleiht, steckt in dem Gestein, das wir ›Tindar‹ nennen. Es findet sich an allen Orten, an denen sich die Wächterdrachen ihre Heimstatt schufen. Der Drache der Erde wohnte in einer Höhle auf der Insel, von der aus ihr unsere Zuflucht erreicht habt.«
»Irteca!«, entfuhr es Corrya. »Heißt das, er war dauernd vor unserer Nase, so wie das Portal nach Eilond?«
»Sie sagten: ›er wohnte‹, nicht ›er wohnt‹«, murmelte Enris.
»Nein«, widersprachen die Ainsarii dem Wachmann kühl und offensichtlich nicht erfreut darüber, unterbrochen worden zu sein. »Als wir Hagonerin erbauten, kam er zu uns. Er ist der Älteste und Mächtigste der vier Drachen, deshalb, war er dazu in der Lage, sich all die Jahrhunderte über verborgen zu halten – auch vor unseren Feinden, die Hagonerin nun besetzt halten. Aber mit dem Tod seiner Brüder ist es nur eine Frage der Zeit, bis seine Kraft schwinden und man ihn entdecken wird.«
Wie vom Donner gerührt blickten sich die Anwesenden im Saal der Ainsarii an. Enris’ Mund war so staubtrocken, dass ihm das Schlucken schwerfiel.
Die Schwarze Nadel! Hagonerins höchster Turm, in dessen Spitze er mit Margon und Thaja Arcads Erzählung gelauscht und zum ersten Mal von den Serephin gehört hatte. Natürlich, der Turm bestand aus Tindar. Das Zuhause des Erddrachens war zum Greifen nahe gewesen. Aber nun hatten es die Serephin in ihrer Gewalt. Der letzte Drache hielt sich direkt unter ihren Augen in Carn Taar verborgen!
20
Deneb vermochte nicht zu sagen, ob er den Haupteingang der Stillen Hallen erreicht hätte, wenn die Zwerge nicht bei ihm gewesen wären. Er bezweifelte es. Wahrscheinlich wäre er noch auf den letzten Fuß Entfernung zu dem verschlossenen Tor bewusstlos zu Boden gesunken. Der Schutzzauber in den Standbildern der Inkirin erfüllte gnadenlos seinen Zweck. Doch einer seiner drei Begleiter riss den Archivar mit sich, als diesem die Sinne schwanden. Deneb bekam nicht mit, wer es war, der ihn so vor dem sicheren Kältetod rettete, und es kümmerte ihn auch nicht. Die Serephin hatten seinen Freund entführt. Wieder und wieder spielte sein benommener, halb bewusstloser Verstand ihm jene letzten Momente in den Stillen Hallen vor seinem inneren Auge ab. Er sah die Hände des Echsenwesens Pándaros zu sich heranziehen, packte nach dem Arm seines Freundes und fuhr nur durch die eisige Luft der leeren Halle. Die ständige Qual dieser Bilder war für Deneb beinahe wirklicher als die rauen Stimmen der Zwerge, die ihn mit sich durch das Tor schleiften, und als die unerwartete Wärme, die ihn dahinter umfing und seine
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