Runlandsaga - Die Schicksalsfestung
langsam. Nur die beiden Serephin wären vielleicht rechtzeitig genug in der Hochebene von Tool. Aber was könnten die beiden allein schon gegen so viele ihres Volkes ausrichten?«
»Wartet!«, rief Jahanila. Sie hatte eine Hand erhoben, wie um alle Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, was ihr auch gelang. »Alcarasán und ich können vielleicht nicht die Serephin davon abhalten, den dritten Wächter zu vernichten. Doch was ist mit diesem Temari, der zu ihnen gebracht werden soll? Der angeblich weiß, wo der letzte Drache zu finden ist?«
In die Augen ihres erschöpften Nevcerran kehrte ein wenig Feuer zurück. Am Ende war doch noch nicht alles verloren!
»Aber natürlich!«, verlieh er seinen Überlegungen eine Stimme, ohne seine Worte an jemand Bestimmten zu richten. »Ich könnte vielleicht eine Gelegenheit finden, den Temari aus ihren Händen zu befreien. Auf diese Weise würde ich uns ein wenig Zeit verschaffen, denn bisher wissen die Serephin nicht, wo sich der vierte Wächter aufhält.«
»Wir erhielten einen geringen Aufschub«, stimmten die Ainsarii zu. Ihr zurückhaltend klingender Ton hatte mit Jahanilas Vorschlag etwas an Hoffnung gewonnen. »Zumindest solange, bis wir zur Verteidigung des letzten Drachen bereit wären. Womöglich bekämen auch unsere Brüder und Schwestern in den Mondwäldern damit genügend Zeit, uns zu Hilfe zu kommen. Wir werden jede Unterstützung benötigen, derer wir habhaft werden können.«
»Und inzwischen machen Neria und ich uns auf, die Schicksalsfestung zu finden«, fügte Suvare hinzu.
Enris fühlte einen erneuten Stich bei dem Gedanken, dass die Frau, deren Liebe er so unvermittelt gewonnen hatte, wieder von ihm fortgehen und sich in Ungewissheit und Gefahr begeben würde. »Dann komme ich ebenfalls mit euch«, sagte er entschlossen zu Neria. »Ich lasse dich nicht allein.«
»Wir könnten einen Temari wie dich an unserer Seite gebrauchen«, sagte Jahanila, bevor die Voronfrau ihm antworten konnte. Alcarasán blickte sie überrascht an. Was nahm er da zwischen den Worten seiner Begleiterin wahr, so versteckt, dass nur ein Serephin desselben Ordens es bemerken konnte? Hatte sie am Ende Gefühle für diesen blassen jungen Mann entwickelt?
»Für das, was vor uns liegt, benötigen wir vielleicht auch die Unterstützung deines Volkes«, fuhr Jahanila indessen fort, ohne Alcarasáns Moment der Verwunderung bemerkt zu haben. »Wer wäre da geeigneter als ein Temari, der uns bereits kennt und zwischen uns und seinem Volk vermitteln kann? Außerdem besitzt du Erfahrung, die sogar vielen meines Volkes heute fehlt. Du hast mit Maugrim gekämpft. Und du hast andere Temari dazu gebracht, den Maugrim entgegenzutreten.«
Der junge Mann sah sie mit gerunzelter Stirn an und rang sichtlich zerrissen zwischen widerstreitenden Gefühlen, nach Worten. Seine lange Irrfahrt, die er an einem schier endlos in die Ferne der Erinnerung gerückten Herbsttag mit einem Schritt auf ein Schiff namens »Shintar« begonnen und die ihn von seiner Heimat in Tyrzar nach Andostaan und Irteca, in die Tiefen der Vergangenheit und schließlich hierher in diesen Saal geführt hatte, immer auf der Suche nach einer Bestimmung in seinem Leben, war beendet. Endlich wusste er, wohin sein Weg führte. Er war weder ein Kaufmann noch ein Magier, wenn sein Schicksal auch die Verborgenen Dinge mehr als einmal gestreift hatte. Er war eine Kämpfernatur, aber anders als Wachleute wie Corrya oder Krieger wie Aros, die nicht für sich selbst kämpften. Er besaß die Gabe der Überzeugungskraft, und er wusste sie allmählich einzusetzen wie ein Schwert – so wie er die Ratsherren von Menelon davon überzeugt hatte, dass sich in der Suche nach den Dunkelelfen Hoffnung auf Rettung verbarg, so wie er die Flüchtlinge in Mehanúr dazu gebracht hatte, sich gegen die Gewalt der Maugrim zu wehren. Eine erste Ahnung davon hatte ihm schon an jenem Tag gedämmert, als er an der Seite von Königin Tarigh aus dem Fenster des Ratsturms geblickt hatte.
Ein Teil von ihm wollte diese Gelegenheit ergreifen und Jahanila zustimmen, denn tief in seinem Herzen wusste er, dass sie recht hatte. Wenn die Ainsarii den Wächter der Erde vor den Serephin beschützen wollten, würde er ihnen bestimmt von Nutzen sein. Aber ein anderer Teil seines Selbst schrie bei dieser Vorstellung laut auf, dass er dann nicht bei seiner Geliebten sein konnte und wehrte sich gegen jede weitere Überlegung.
Nerias Stimme riss ihn aus dem Hin und Her seiner
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