Runlandsaga - Die Schicksalsfestung
immer an.
Enris’ Mund fand ihren, und endlich schloss sie ihre Lider.
Die Anspannung in ihr löste sich in einem Lächeln. »Ich bin es nicht gewohnt, dass jemand so viel Vertrauen in mich setzt. Hörst du? Ich habe gesagt jemand . Nicht einer der Menschen . Das ist ein Fortschritt. Ihr seid wirklich nicht alle schlecht.«
»Wir bemühen uns«, entgegnete Enris, ebenfalls lächelnd.
»Du besitzt selbst große innere Stärke. Mehr, als du dir gegenüber vielleicht zugeben willst. Aber dennoch ist sie da. Das hast du in Mehanúr bewiesen, als du die Flüchtlinge vor den Maugrim gerettet hast.«
Der junge Mann ergriff ihre Hand. Sie war warm wie ihre Lippen. »Versprich mir etwas! Ich weiß, dass du dich nach deiner Heimat sehnst. Wenn du wieder zurückkommst, dann versprich mir, nicht einfach auf Nimmerwiedersehen im Roten Wald zu verschwinden. Bring mich zu deiner Familie. Ich will sie kennenlernen.«
»Das willst du tatsächlich?«, rief Neria freudig. Einige Möwen kreischten laut über ihr, als wollten sie ihr antworten.
»Hast du jemals daran gezweifelt? Ich hoffe nur, dass sie mich nicht gleich in Stücke reißen. Aber wenn ich über den heutigen Tag hinaus denke, dann glaube ich daran, dass es für uns ein gemeinsames Leben geben kann. Auch wenn ich keine Ahnung habe, wie es wohl aussehen wird.«
Immer noch mit strahlendem Gesicht umarmte ihn die Voronfrau so fest, dass ihm die Luft wegblieb. Sie starrte ihn wie fassungslos an. »Du bist wirklich außergewöhnlich«, murmelte sie. »Dass ich dich nach allem, was du mit mir erlebt hast, immer noch nicht verschreckt habe! Dass du immer noch hier bist ...«
Nerias Stimme stockte, und obwohl sie weiterhin lächelte, glänzten Tränen in ihren Augen. Ihr Blick umwölkte sich. »Du musst mir ebenfalls etwas versprechen.«
»Was?« Ein kaltes Misstrauen ergriff Enris’ Innerstes und arbeitete sich an seinem Rückgrat hoch.
»Wenn Runland gerettet wird, aber ich aus irgendeinem Grund nicht von dieser Fahrt zurückkomme, dann finde meine Leute im Roten Wald. Erzähle ihnen von mir. Sag ihnen, dass sie immer in meinen Gedanken waren, egal, an welche finsteren und fremden Orte es mich verschlug. Und dass ich ...«, sie stockte und sah auf den nassen Sand zu ihren Füßen, bevor sie wie gegen einen inneren Widerstand den Kopf hob und weitersprach, »... dass ich alles getan habe, um sie zu beschützen.«
Unwillkürlich schauderte Enris. Er zog scharf die Luft ein. »Das wirst du ihnen selbst sagen müssen.«
Mit gerunzelter Stirn starrte sie ihn an. Er erinnerte sich an den Tag, als er sie mit einem ähnlich finsteren Gesichtsausdruck über einen anderen Strand als diesen hier auf die Suvare hatte zukommen sehen. Er schmunzelte. »Siehst du, jetzt hast du noch einen weiteren Grund, zurückzukommen. Also streng dich an!«
Trotzig schob sie ihre Unterlippe vor und stieß ihm ihre Faust vor die Brust. »Als ob deine Umarmung nicht Grund genug wäre, sich durch eine Armee von Maugrim zu dir zu kämpfen!«
Sie küssten sich erneut. Eine Weile blieben sie dicht an dicht am Rand der Wasserlinie stehen, die sich mit der steigenden Flut allmählich weiter und weiter auf sie zuschob. Als die ersten Wellen über ihre Stiefel leckten, löste sich Enris von Neria.
»Ich bin kein Freund von langen Verabschiedungen. Du bestimmt auch nicht, oder?«
Sie schüttelte stumm den Kopf.
Er bemühte sich um ein Lächeln, das ihm schwerer fiel, als je zuvor. »Dann lass uns hier und jetzt voneinander Abschied nehmen, und nicht in der Höhle, in der uns alle anstarren. Ich gehe sofort durch das Quelor zurück nach Eilond und nehme die Männer aus dem Regenbogental und die beiden Kaufleute mit mir.«
»Gut«, sagte Neria mit belegter Stimme. Wieder einmal war ihr schwerer, harter Akzent deutlicher als sonst zu vernehmen. »Ich bleibe noch eine Weile hier.«
»Gib auf dich acht«, bat Enris sie eindringlich.
»Du auch!«, gab Neria zurück. »Auf ein baldiges Wiedersehen, wenn die Gefahren für uns und für diese Welt endlich hinter uns liegen!«
Er nickte mit zusammengepressten Lippen. »So soll es sein. Kein Lebwohl, sondern – auf bald !«
Ruckartig drehte er sich um und stapfte mit entschlossenen Schritten über den Strand in die Richtung der Höhle. Vor sich sah er die Spuren von zwei Paar Füßen im Sand.
Jetzt hinterließ er daneben eine einzige Spur, die zurück zu den anderen führte. Das Bild traf ihn wie ein Faustschlag. Er ließ sie tatsächlich hinter sich.
Er
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