Runlandsaga - Die Schicksalsfestung
Augen gesehen habt.«
Einer nach dem anderen stiegen Suvare und ihre Männer zum Ausguck hinauf und sahen sich an, was in einiger Entfernung vor ihnen lag. Zutiefst erschüttert und still standen sie sich schließlich einander gegenüber.
»Keine Ahnung, was ich erwartet hatte«, murmelte Teras schließlich kopfschüttelnd, »aber nicht das . Ich meine: Wie sollen wir daran vorbei? Kann mir das einer mal erklären?«
»Wenn wir weiter unseren Kurs Richtung Norden halten«, sagte Torbin düster, »dann fahren wir genau auf den Rand zu und stürzen in die Tiefe. Diese Grenze ist nicht zu überwinden.«
»Das stimmt«, pflichtete Calach ihm bei. Er blickte nach Bestätigung suchend in die Runde. »Ich sage: Lasst uns umkehren, solange wir noch können. Wir haben alles versucht, aber es ist nicht möglich, noch weiter vorzudringen.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob wir alles versucht haben«, überlegte Suvare. Die anderen starrten sie verständnislos an.
»Was meinst du damit?«, stieß der Schiffskoch hervor. Sie erwiderte seinen gereizten Blick mit nachdenklicher Miene.
»Wir haben Neria an den Ort gebracht, den die Dunkelelfen uns nannten. Aber von dem Moment an, als sie uns sagten, dass wir uns zum äußersten Rand der Welt aufmachen sollten, hatte ich das Gefühl, dass es in Wirklichkeit bedeutete, im wahrsten Sinne des Wortes bis zum Äußersten zu gehen. Damit meine ich, die Suvare auf diesen Abgrund zuzusteuern und Neria zu helfen, über den Rand zu gelangen. Wenn die Schicksalsfestung wirklich jenseits davon liegt, dann ist dies bestimmt die einzige Möglichkeit, sie zu erreichen.«
»Das ist Wahnsinn«, fuhr Calach auf. »Die Suvare wird wie ein Stein in den Abgrund stürzen, das ist das Einzige, was du erreichen wirst. Wenn du dich umbringen willst, Khor, dann ohne mich! Hier hört es auf.«
»Keine Sorge«, beschwichtigte Suvare ihn ruhig. »Ich habe nicht vor, einen von euch in Gefahr zu bringen. Ich allein werde Neria über den Rand schicken – wenn sie es will. Ihr anderen könnt das Beiboot und soviel Verpflegung nehmen, wie ihr braucht, um unbeschadet wieder nach Runland zu kommen.«
Ihre Worte hingen bleischwer über der Runde. Keiner wagte, auf diese Ungeheuerlichkeit zu antworten.
Dann begannen alle Seeleute gleichzeitig auf sie einzureden.
»Wie kannst du so etwas nur vorschlagen!«
»Hast du völlig den Verstand verloren?«
»Das geht doch nie und nimmer gut!«
Ein Durcheinander aufgeregter Stimmen stieg in die Nacht über der Tjalk auf. Nur Neria blieb still und sagte nichts. Suvare ließ ihre Männer eine Weile gewähren, bis sie schließlich ihre Hände hob. »Schluss jetzt!«
Sofort kehrte Ruhe ein. Nur Teras brummte noch vorwurfsvoll etwas Unverständliches, bevor auch er verstummte.
»Falls ihr es vergessen habt:«, sagte Suvare schneidend, »ich bin immer noch euer Khor und der Eigner dieses Kahns! Ich entscheide, was ich mit meinem Eigentum anfange.« Sie wandte sich der Voronfrau zu. »Neria, willst du, dass ich dich mit meiner Tjalk über den Rand bringe? Die Krone des Nordens scheint genau vor uns am Himmel. Wenn es einen Weg zu Cyrandiths Schicksalsfestung gibt, dann verläuft er jenseits dieser Grenze. Ich kann dir nicht versprechen, dass wir den Versuch überleben – bei der kalten Math, es ist viel wahrscheinlicher, dass wir mitsamt dem Schiff in den Abgrund stürzen und umkommen.«
»Warum willst du dann überhaupt so ein riesiges Wagnis eingehen?«, unterbrach Teras sie gequält.
Suvare fuhr herum. »Versteht ihr es denn immer noch nicht? Wenn wir es nicht versuchen, dann wird es bald kein Runland mehr geben, in das wir zurückkehren können!«
Teras rang nach Worten, doch sie kam ihm zuvor.
»Mein alter Freund, mein Bootsmann. Mach es mir nicht noch schwerer, als es mir ohnehin schon fällt. Ich muss das tun, sonst könnte ich mir in der kurzen Zeit, die uns noch zu leben bleibt, nicht mehr in die Augen sehen.«
»Also gut«, erhob Neria ihr Stimme. Die anderen sahen sie erwartungsvoll an. »Ich bin bereit, über den Rand der Welt zu fahren.« Sie brachte vor Anspannung kaum die Lippen auseinander, aber dennoch gelang es ihr, bei dem Gedanken an die Folgen dessen, was sie gerade aussprach, nicht am ganzen Körper zu zittern. »Lasst es uns angehen, so schnell wie möglich. Wer weiß, ob die Anführerin der Serephin nicht schon auf dem Weg nach Carn Taar ist, um den letzten Drachen zu töten!«
Suvare benötigte keine weitere Bestätigung. Sie hatte die
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