Runlandsaga - Die Schicksalsfestung
würde? Gab es überhaupt jemanden im Inneren der ungeheuren Burg, der sie bemerkt hatte?
Hör auf zu zweifeln! , schalt sie sich selbst. Carn Wyryn ist vor dir erschienen, weil du alles gewagt hast, um sie zu finden. Denkst du wirklich, dass es hier vor ihrem verschlossenen Eingang aus ist? Vielleicht wirst du nie wieder einen Weg zurück nach Hause finden, aber das ist verdammt noch mal kein Grund, nicht nach vorn zu blicken. Jetzt grübel nicht weiter nach, sondern tu, was die Wölfin tun würde: Ergreif die Gelegenheit und hinein mit dir!
Nur noch wenige Fuß trennten sie von dem Tor. Sie wollte es nicht versperrt sehen, also schloss sie die Augen.
Glaub daran. So wie du daran geglaubt hast, als du dich in den Abgrund gestürzt hast. Es ist noch nicht zu Ende.
Selbst blind konnte sie fühlen, wie sie das Tor berührte. Ihr war, als würde sich das eingearbeitete Spinnennetz auf dessen Oberfläche in ein tatsächliches Netz verwandeln, das sie mit seinen dicken, dehnbaren Fäden festhielt wie eine gefangene Fliege. Diese waren wie von einem eigenen Leben erfüllt. Prüfenden Fingern gleich tasteten sie über Nerias Körper.
Wer bist du und was willst du? , hob eine Vielzahl wispernder Stimmen in ihrem Verstand an. Zuerst begriff sie nicht, was sie an ihnen so unheimlich fand, bis ihr klar wurde, dass es ihre eigene Stimme war, die sie hörte, aber zahllos vervielfacht zu einem geisterhaften Chor.
Ich bin eine Voronfrau, erwiderte sie in Gedanken, und ich werde Neria genannt. Ich muss ins Innere der Schicksalsfestung, um die Träumende Cyrandith um Hilfe zu bitten.
Das wollen viele , flüsterten die Stimmen. Es vergeht kein Tag, an dem nicht jemand die Hilfe der Weberin erfleht. Manchmal wird sie gewährt, manchmal nicht. Das Netz allen Lebens besteht noch aus einer Unzahl anderer Fäden als dem deinen, und seine Knoten sind aus gutem Grund geknüpft.
Neria spürte ihren Unmut steigen.
Ich bin nicht so weit gekommen, um mich an der Schwelle zu meinem Ziel abweisen zu lassen. Es ist mein Schicksal, diesen Ort zu betreten, weil ich mich dafür entschieden habe. Entweder gewährt ihr mir meinen Wunsch, oder ich werde einen anderen Weg finden, mir den Zutritt zu verschaffen.
Unvermittelt wurde sie losgelassen.
Dein Entschluss webt deinen Faden, wisperten die zahllosen Stimmen in ihrem Geist. So ist es immer gewesen, und so wird es immer sein.
Neria fühlte festen Boden unter ihren Füßen. Langsam öffnete sie die Augen.
Sie hatte das Innere von Carn Wyryn betreten.
29
Der frühe Morgen sah in einem kalten Winterlicht auf die Bucht von Andostaan hinab. Es hatte während der Nacht nicht geschneit, aber jetzt, mit dem Anbruch des Tages, taumelten Schneeflocken aus den tief hängenden Wolken über den Klippen und dem Meer. Das Heer der Antara hatte sich am Rande des Lagers in den Dünen versammelt. Corrya und die Krieger aus dem Regenbogental waren unter ihnen, nur Larcaan und Thurnas waren mit einigen Wachen der Dunkelelfen im Lager zurückgeblieben. Larcaan hatte es sich nicht nehmen lassen, ebenfalls ein Schwert in die Hände zu bekommen, wenn er auch kaum Erfahrung darin besaß, eine Waffe zu führen. Er hatte Indral beim Aufbau des Lagers einiges über die Beschaffenheit des Geländes mitgeteilt und platzte regelrecht vor Stolz, als der Antara ihm verriet, wie nützlich diese für das Aufstellen der Wachen um das Lager und in der Nähe der Burg gewesen seien.
Mit dem Schnee war ein leichter Wind aufgekommen, der durch die Reihen des Heeres wehte. Die vier Menschen neben Indral traten von einem Fuß auf den anderen, um sich warm zu halten. Der Anführer der Dunkelelfen dagegen stand still wie ein steinernes Standbild im Schnee. Auch die Krieger unter seinem Befehl bewegten sich nicht.
Indrals Absicht bestand darin, die Serephin glauben zu lassen, der Angriff auf die Festung stünde unmittelbar bevor. Dazu hatte er seine Krieger bei Einbruch der Dämmerung Stellung nehmen lassen. Bald würde er mit ihnen die Anhöhe am nördlichen Ende der Bucht besteigen, um sie in einem weiten Bogen bis zu der Klippe zu führen, von der aus sie Carn Taars Eingang erreichen konnten. Sich seinen Feinden offen von der Hochebene aus zu nähern hatte den Vorteil, dass deren Aufmerksamkeit kaum auf den Strand gerichtet sein würde. Seine Späher hatten festgestellt, dass die Zugbrücke heruntergelassen war. Die Serephin hatten allerdings das Fallgitter gesenkt und damit den Eingang verschlossen. Ihn für seine Angreifer
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