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Runlandsaga - Die Schicksalsfestung

Runlandsaga - Die Schicksalsfestung

Titel: Runlandsaga - Die Schicksalsfestung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Gates
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aufwiesen. Neria lief ein Schauer über den Rücken, als sie etwas rechts von der gemalten Tür an der gekrümmten Saalwand das Bild eines Wolfes sah – eines Weißen Wolfes. Das Tier war so groß dargestellt, dass es aussah wie Talháras selbst. Gespenstisch lebendig blickte der Urahne ihres Volkes die Voronfrau von der Wand des Thronsaals in Carn Wyryn herab an. Die Szene stellte einen Wald dar. Der gemalte Wolf hielt sich halb hinter einem Haselnussbusch verborgen. Aufmerksam, regelrecht lebendig, beobachtete er die aufgeregte junge Frau, als käme er gleich hinter seiner Deckung hervor. Das helle, satte Grün der Haselnussblätter leuchtete im Schein einer warmen, wenn auch nicht zu erkennenden Frühsommersonne, und auch die Blätter der Bäume im Hintergrund standen in vollem Saft.
    In Nerias Vorstellung verwandelte sich die Szene zu einem Abbild ihres Zuhauses, des Ortes ihrer ständigen Sehnsucht. Gleichzeitig mit der Mischung aus Freude und Schmerz, die sie bei dem Gedanken an ihre Heimat durchfuhr, wuchs aber auch ihre Verwirrung.
    Wie kann es sein, dass es in Carn Wyryn ein Bild von Talháras und dem Roten Wald an der Wand gibt?
    Anstelle einer Antwort fiel ihr Blick auf ein weiteres Bild daneben. Es zeigte eine nackte junge Frau mit dichtem schwarzen Haar vor einer Steinmauer. Sie bückte sich, um ein rotes Wollkleid und ein Paar Stiefel aus einem Loch in der Mauer hervorzuholen. Wer auch immer das Bild gemalt hatte, er hatte die Frau mitten in ihrer Bewegung von hinten gezeichnet, so dass ihr Gesicht dem Betrachter abgewandt war. Das Spiel ihrer Muskeln und sogar einige bläulich schimmernde Adern unter ihrer bleichen Haut waren so deutlich zu erkennen, als hätte das Bild auf magische Weise einen Moment aus dem Leben dieser Unbekannten für immer eingefroren und bewahrt.
    Neria stand vor dem Bild wie zu Stein erstarrt. Eine Hand wanderte auf ihren zu einem lautlosen Schrei geöffneten Mund.
    Das – das ist unmöglich! Das bin ja ich!
    Selbst mit abgewandtem Gesicht hatte sie ihren Körper sofort erkannt. Sie wusste auch, was für einen Moment dieses Bild darstellte – den Morgen, nachdem Talháras ihr die schreckliche Vision vom Ende der Welt gezeigt hatte.
    Wenn noch irgendein Zweifel in ihr bestanden hätte, dass es sich in der Darstellung um sie selbst handeln könne, so wäre dieser bei dem nächsten Bild, auf das ihr Blick traf, endgültig ausgeräumt worden. Es zeigte sie selbst, umgeben von Tekina und dem Anführerpaar des Dorfes.
    Neria hatte sich erst bei den Antara zum ersten Mal in ihrem Leben in einem Handspiegel gesehen. Zuvor hatten ein poliertes Stück Metall oder die Wasseroberfläche einer dunklen Tonschale als Ersatz dafür hergehalten. Sich nun in voller Deutlichkeit ihrem eigenen lebensgroßen Abbild gegenüberzustehen, verschaffte ihr weiche Knie. Ihr schwindelte, beinahe wäre sie über eine der Rillen am Boden gestürzt und gefallen.
    Die Überraschungen endeten nicht. Neria eilte an der gekrümmten Wand des Raumes entlang. Ein Bild reihte sich an das nächste, und auf jedem war sie zu sehen. Eine dargestellte Szene zeigte sie auf ihrem Weg durch den Roten Wald, ihren Rucksack auf dem Rücken. Bei der nächsten Darstellung wandte sie sich vor Grauen ab, denn hier hatte der unbekannte Künstler sie gemalt, wie sie bewaffnet mit einer Axt in dem Hügelgrab gegen den Gorrandha kämpfte. Der Dämon in dem ausgemergelten Kinderkörper hatte seine Hände nach ihr ausgestreckt und schien im nächsten Moment aus der Malerei heraus und in den Raum zu springen, um sie zu packen.
    Warum sind hier lauter Bilder von mir? Wer hat sie gemalt?
    Eine weitere Szene zeigte sie bei ihrer Ankunft an der Küste, und sie musste schwer schlucken, als sie unter den dargestellten Leuten an Bord der Suvare Enris erkannte. Sie hob ihre Hand, um sein gemaltes Gesicht zu berühren, wagte es aber nicht. Dennoch verharrte sie einen Moment länger vor diesem Bild als vor den anderen, bevor sie zum nächsten eilte.
    Tatsächlich war sie auf jede der Wandmalereien zu sehen, von ihrer Reise nach Menelon und Irteca bis zu der Schlacht um Mehanúr. Auch hier wandte sie ihren Blick ab – zu furchterregend genau waren die Maugrim dargestellt, und der Schein der Flammen in den Kohlebecken über ihr hauchte den riesigen Körpern ein unheimliches Leben ein.
    Das letzte Bild, bevor sie wieder an der gemalten Tür angekommen war, zeigte sie an Bord der Suvare . Die Tjalk hielt auf den Abgrund zu, und am fernen,

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