Runlandsaga - Die Schicksalsfestung
Beides kommt auf dasselbe hinaus: Ihr seid keine Heiligen Männer.«
Mit einer abschätzigen Handbewegung wandte er sich von seinen beiden Gefangenen ab. »Mach dir nichts vor«, sagte er über die Schulter hinweg zu seiner Frau. »Das sind nicht diejenigen, deren Hilfe wir suchen.«
»Darf ich sprechen?«, erhob Deneb schüchtern seine Stimme. Da der Yasgürai schwieg, fuhr der Archivar fort: »Es ist wahr, dass T’lar keine Wanderpriester kennt. Aber wir sind keine Ausgestoßenen. Pándaros und ich sind geweihte Diener des Sommerkönigs.«
Obwohl ich mir nicht so sicher bin, ob das in diesem Moment immer noch zutrifft , dachte er. Vielleicht haben sie uns schon längst wegen unseres unerlaubten Verschwindens aus der Gemeinschaft geworfen. Aber solange mir Bendíras das nicht ins Gesicht sagt, hat sich für mich nichts geändert.
» Wenn Ihr an meinen Worten zweifelt, Herr, dann seht in unser Gepäck«, sprach er weiter. »Wir führen Dinge mit uns, die aus unserem Orden stammen, zum Beispiel eine Landkarte, deren Unterschrift bestätigt, dass sie in der Schriftensammlung von T’lar angefertigt wurde.«
»Diese Dinge ... sind da auch Heilmittel?«, erklang nun zum ersten Mal die Stimme der Frau, die der Herr des Callabs Ricónda genannt hatte. Ihre Aussprache war schwerer zu verstehen als Watanjas, dennoch schnitten ihre Worte Pándaros ins Herz. Die Miene des Yasgürai dagegen hatte ihre Härte verloren. Erschüttert trat er ihr entgegen und nahm sie in die Arme. Sie ließ es geschehen, blickte aber weiterhin die beiden Priester an, als erwarte sie eine Antwort von ihnen.
»Bitte quäl dich nicht!«, sagte Watanja. Er strich ihr über das Haar und murmelte ihr Worte in der Sprache der Nomaden ins Ohr. Dann fuhr er herum, während er sie immer noch festhielt. »Da seht ihr, was ihr angerichtet habt! Ihr bringt uns keine Heilung, sondern nur neuen Schmerz.«
Mit einer Hand winkte er dem Anführer der Reitergruppe zu, der seinen Platz am Eingang des Callabs nicht verlassen hatte. »Tirianuk! Schaff mir die Eindringlinge aus den Augen! Verkauf sie an Mariokas Sippe, oder lass die Steppe ihr Blut trinken. Mir ist es gleich, was du mit ihnen anstellst, solange sie nur fort aus unserem Lager sind.«
Pándaros und Deneb wechselten angstvolle Blicke. »Wie du befiehlst, Yasgürai«, sagte der Nomade namens Tirianuk. Aber er hatte kaum ausgesprochen, als sich Ricónda aus der Umarmung ihres Mannes losriss.
»Nein!«, schrie sie auf. Sie stellte sich schützend vor die beiden Priester und sah Watanja flehendlich an. Ein Schwall von Worten in der Sprache der Nomaden sprudelte aus ihr heraus. Noch bevor der Herr des Callabs antworten konnte, fuhr sie wieder herum und sprach Deneb in ihrer gebrochenen Mundart an. »Bist du Heiler? Du heilst Kranke?«
»Ich kenne mich ein wenig mit Krankheiten aus«, sagte Deneb zögernd, das Gesicht grau vor Furcht, etwas Falsches zu sagen und von Tirianuk, der sich inzwischen vor der Gruppe aufgebaut hatte, in den Tod geführt zu werden. »In meinem Gepäck befinden sich einige starke Heilmittel.«
Ricóndas Züge hellten sich auf. Mit hartem Griff packte sie die Hand des Priesters. »Komm, Heiler!«
Sie zerrte Deneb mit sich, der Pándaros einen unsicheren Blick zuwarf und ihr hinterdrein stolperte.
»Was soll das, Frau?«, polterte Watanja verärgert. »Tu dir doch nicht selbst weh!«
Doch Ricónda achtete nicht auf ihn. Sie zog Deneb zu der hölzernen Sitzbank neben der, auf der ihr Mann gesessen hatte, und die als Bett zurechtgemacht war. Pándaros wollte ihnen folgen, doch er hatte kaum einen Schritt getan, als sich schon Tirianuks Hand schwer auf seine Schulter legte. Der Nomade schüttelte kurz, aber bestimmt den Kopf.
Von seinem Platz aus konnte Pándaros auf den ersten Blick in dem Bett vor lauter Decken und Kissen kaum etwas erkennen. Doch bei genauerem Hinsehen fiel ihm das kleine, blasse Gesicht am einen Ende der Bank auf, zugedeckt bis an die Nase und fast gänzlich unter dem Bettzeug verborgen.
»Der wird uns auch nicht helfen können«, grollte Watanja. »Hör damit auf, dir selbst und auch mir immer wieder Hoffnung machen zu wollen.«
Ricónda zog die oberste Decke unter dem kleinen Gesicht mit den geschlossenen Augen ein wenig zurück, so dass Deneb besser sehen konnte, wer da vor im lag. Auch Pándaros erkannte nun, dass es ein Kind von höchstens sieben oder acht Jahren sein konnte. Feuchte schwarze Haare klebten auf seiner Stirn. Unter den geschlossenen
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