Runlandsaga - Die Schicksalsfestung
stürzen. Ohne sich in Gedanken oder Worten abgesprochen zu haben, fochten sie verbissen Seite an Seite weiter, er mit seiner Klinge, sie mit ihrer Magie. Der Kampf um Mehanúr war die größte Schlacht, an der er jemals teilgenommen hatte, und nun kämpfte er sie ein zweites Mal. Doch diesmal gehörte er nicht wie damals, vor so langer Zeit, zu den fliegenden Serephin, die in ihren Drachenkörpern den Rest des Maugrimheeres bekämpft hatte, das nach dem Zuschnappen der Falle übrig geblieben war. Diesmal befand er sich inmitten des tobenden Fleischwolfs, in das er an jenem schicksalhaften Tag seine Krieger hineingeführt hatte. Jeder Todesschrei, der durch seinen Geist hallte, traf ihn so tückisch wie der Widerhaken jenes Maugrim, der seine Ferse aufgerissen hatte, und deren klaffende Wunde inzwischen brannte, als wäre sie mit Öl übergossen und angezündet worden. Dennoch kämpfte er wie besessen weiter, angefeuert von seinem Schmerz und entschlossen, sich im Rausch seines Kummers zu entflammen und so viele seiner Gegner wie möglich mit in Brand zu stecken.
Während er einen weiteren Schwarm von Clar’catt abwehrte, die mit der Wucht von Armbrustbolzen auf ihn zuschossen, drang am Rande seiner Wahrnehmung Ondurias Tod in seinen Verstand – ein weiterer unter so vielen des heutigen Tages. Tränen schossen ihm in die Augen und ließen seine Sicht verschwimmen, doch er hielt nicht einen Moment inne. Er hieb sein Schwert vor sich durch die Luft und durchtrennte die Körper der auf ihn zuschießenden Clar’catt mit einer solchen Geschwindigkeit, dass er selbst den Tanz seiner Klinge kaum noch sehen konnte. Neben ihm schoss Sah’arina einen gezielten Kampfzauber nach dem anderen gegen die sie umzingelnden Maugrim, doch ihre Feuerbälle nahmen allmählich an Wucht ab. Immer öfter musste sie mehrere Zauber gegen die Köpfe oder Unterleiber der riesigen Käfer schleudern, um sie aufzuhalten, und sie drängten unaufhaltsam näher.
Der Gesang der Bewahrer in der Mitte des Heeres begann seine Wirkung zu zeigen. Alcarasán spürte einen Zug in seinem Rücken, der stetig anwuchs, so als baue sich hinter ihm ein mächtiger Wirbelsturm auf, der alles in seinem Umfeld zu sich heransaugte, um es zu verschlucken.
Die Falle baut sich auf! , schrie Sah’arina in seinem Geist.
Ich weiß! Wir müssen sie nur noch eine kleine Weile aufhalt – was ist DAS?
Um ein Haar hätte er seine Überraschung laut über den Kampfplatz geschrien. Die gestaltlosen Schatten, die er vor Beginn der Schlacht im Rücken der felsförmigen Käfer wahrgenommen hatte, waren herangerückt. Sie türmten sich hinter dem Heer der Maugrim auf und verdeckten mit ihrer Größe zu einem guten Teil den Himmel. Die Käfer machten ihnen Platz, ließen Schneisen für sie frei. Wie wandernde Rauchsäulen bewegten sie sich an die vorderste Front, wo der inzwischen zu einem dünnen Verteidigungsgürtel zusammengeschrumpfte Verband der Serephin weiterhin den Bewahrern in seiner Mitte Deckung gab.
Der Schock der Erinnerung hätte Alcarasán beinahe den Kampfarm gelähmt.
Nimm dich vor ihnen in Acht! Sie sind gefährlicher als alles, was bisher gegen uns angestürmt ist. Sie dringen in deinen Verstand ein – ich hatte sie völlig vergessen! Hatte sie vergessen wollen.
Du kennst sie? Was sind sie?
Dron’marr – Geistbrecher!
Sah’arina setzte zu einer Erwiderung an, verstummte aber abrupt. Gleichzeitig verklangen die Stimmen der Serephin an zahllosen Stellen inmitten des Heeres. Selbst der Sprechgesang der Bewahrer, denen das Öffnen der Falle oblag, nahm ab. Die monströsen Rauchsäulen waren nah an das Kampfgeschehen herangerückt. Sie türmten sich hoch über den Maugrimkäfern. Alcarasán erkannte etwas Schemenhaftes, das sich in dem Rauch verbarg, beinahe so, als versuchte dieser ständig, seine Form zu verbergen, um den Betrachter zu täuschen. Er glaubte, darin etwas wie eine Vielzahl von suchenden Augen zu entdecken, die ihn von oben herab musterten und an ihm hängen blieben. Dann traf ihn ihre Magie mit voller Wucht, und er schwankte so sehr, dass er beinahe das Gleichgewicht verloren hätte. Dieselbe bösartige Zielstrebigkeit, die bereits den Schutzwall um Mehanúr zum Einsturz gebracht hatte, hämmerte nun auch auf seinen Verstand ein. Er öffnete den Mund zu einem Schrei, aber kein Ton konnte sich seiner Kehle entringen. Einer der Maugrimkäfer sprang aus nächster Nähe auf ihn zu, ein Hügel aus Schuppenpanzern und schnappendem Maul.
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