Runlandsaga - Feuer im Norden
wie es sich uns durch die fünf Elemente offenbart.«
»Die fünf Elemente?«, fragte Enris, ohne aufzublicken.
»Die Grundstoffe, aus denen nach der Überlieferung unserer Ahnen alles Leben zusammengesetzt ist. Luft, Feuer, Wasser, Erde und Cyrandiths träumender Geist, der sie miteinander verbindet und durch dieses Miteinander erst das Leben in seiner ganzen Vielfalt ermöglicht. All das ist in eurem Einäscherungsritual enthalten. Die Körper von Arvid und Rena sind wie das Element Erde. Der Kern ihres Daseins, der ihre Körper mit Leben erfüllte, ging auf dem Scheiterhaufen durch Feuer und Luft, und nun zuletzt durch das Wasser. Wir Endarin glauben, dass wir die Geister derjenigen, die dem Tod zum Opfer fallen, durch das Verbrennen ihrer Körper freisetzen, sodass sie erneut wiedergeboren werden.«
»Diesen Glauben haben die Leute in Felgar und bei mir in Haldor ebenfalls«, sagte Enris. »Ich habe gehört, dass sie weiter unten im Süden ihre Toten begraben, denn sie glauben dort, dass das Leben aus der Erde kommt und wieder dorthin zurückkehren muss, damit es erneut einen Körper erhalten kann.« Er nahm einen kleinen Lederbeutel von seinem Gürtel, den er sich zuvor von Teras hatte geben lassen, und öffnete ihn. »Aber ich weiß nicht, was ich glauben soll. Vielleicht sind das alles nur schöne Geschichten, um diejenigen zu trösten, die zurückbleiben, damit der Kummer sie nicht völlig am Leben verzweifeln lässt.«
Er griff in die Asche, wo sie bereits vom Wasser umspült worden war, nahm eine Handvoll auf und hielt die tropfende Masse dem Elfen vor dessen Gesicht. »Das hier ist alles, was ich mit Sicherheit weiß, Arcad. Noch vor ein paar Stunden war das, was ich hier in meinen Händen halte, am Leben. Es hat geatmet und geliebt.« Es fiel ihm sichtlich schwer, weiterzusprechen. Arcad zeigte keine Regung und schwieg.
»Ich habe gestern Dinge gesehen, von denen ich niemals geglaubt hätte, dass es sie wirklich geben könnte«, fuhr er schließlich fort. »Seitdem kann ich mir so einiges vorstellen, was mir früher unglaublich erschienen wäre.«
Er musterte die nasse Asche, bevor er sie vorsichtig in den Lederbeutel füllte und ihn mit seiner sauberen Hand zuzog. »Aber es ist eine Sache, sich etwas vorstellen zu können, und eine andere, etwas wirklich zu wissen. Wir werden uns nie tatsächlich darüber im klaren sein, ob es das Sommerland und den Dunklen König wirklich gibt, ob wir zu neuem Leben wiedergeboren werden oder ob es nur das unausweichliche Ende erträglicher machen soll, dem wir alle entgegensehen.«
Ein trauriges Lächeln spielte um Arcads Mund. »Darauf läuft es letztendlich immer hinaus, nicht wahr? Wissen macht unser Leben letztendlich nicht glücklicher, weil es so viele Dinge gibt, die wir einfach nicht wissen können. Glaube dagegen wächst im Überfluss, wenn man ihn nur zu ernten versteht. Eine solche Ernte mag sogar Glück einbringen.«
»Aber verliert man sich nicht völlig in Illusionen und Hirngespinsten, wenn einem der Glaube wichtiger wird als das Wissen?«, fragte Enris.
»Nein.« Arcads Stimme hatte einen nüchternen Ton angenommen, als spräche er über Dinge, die so unumstößlich waren wie der Lauf der Sonne und die Gezeiten. »Wenn das, woran du glaubst, deinem Innersten entspricht, verlierst du dich nicht, sondern verwandelst dich in ein wahrhaft schöpferisches Wesen, das die Welt um sich herum gestaltet, so wie ein Harfner ein neues Lied ersinnt. Es ist das Anhaften an jenen Dingen, die nicht wirklich dir selbst entsprechen, das die Ungeheuer des Herzens und des Verstandes gebiert. Aber glaube mir, auch wir Endarin sind nicht frei von dem Kummer, den der Tod unter den Zurückbleibenden verursacht. Wie du weißt, kann mein Volk ebenfalls unter den Schatten des Todes fallen, wenn auch nur selten durch Krankheit, eher durch Gewalt von außen oder eigenen Überdruss aufgrund der Last langer Jahrhunderte. Jene unter uns, die Kenntnis davon haben, dass wir einst zum Geschlecht der Feuerschlangen gehörten, wissen auch um die Häuser der Wiedergeburt in Vovinadhár. Die Serephin, die sich durch langes Üben dazu in die Lage versetzt haben, die Erinnerung an ihre Vergangenheit über den Tod hinaus zu bewahren, werden dort allmählich dafür bereitgemacht, diese Erinnerungen in sich aufsteigen zu lassen und in neuen Körpern zu ihren früheren Familien zurückzukehren. Doch diejenigen, die sich nicht erinnern können, sind für ihre Verwandten wahrhaftig tot. Sie
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