Runlandsaga - Feuer im Norden
niemals einer Frau ergeben. Es blieb nur die Flucht, so sehr die Scham auch brannte. Nicht einmal den Jungen konnte er behalten, um ihn zu verkaufen. Aber das Gesicht der Schlampe würde er nicht vergessen. Der Norden war eine kleine Welt. Sie würde dem Hecht wieder über den Weg laufen, dann würde ihn kein Sturm retten.
Unvermittelt sprang er nach rechts zur Seite und begann zu rennen. Es war ein gefährliches Unterfangen, aber immer noch besser, als sich einem Kampf zu stellen und in diese unheimliche Wolke hineingesogen zu werden.
Suvare wollte ihm nachsetzen, um ihn einzuholen und ihm den Dolch in den ungeschützten Rücken zu jagen, aber eine Hand riss sie zurück. Sie fuhr herum, bereit zuzuschlagen, und erblickte Arcad.
»Rennt ihm nicht nach ... zu gefährlich!« Der Elf war kaum zu verstehen vor dem ohrenbetäubenden Heulen.
Ein heftiger Windstoß zerrte an ihr. Der Wirbel hatte sie erreicht. Eine Welle von Panik überkam sie, als sie glaubte, rückwärts in die tosende Wolkensäule hineinzutaumeln. Arcad zog sie ruckartig an sich, sodass sie ihm regelrecht in die Arme fiel. Der brüllende Lärm um sie herum drückte gegen ihre Ohren. Sand spritzte ihr schmerzhaft ins Gesicht, während sie stolpernd Arcad folgte, der sie immer noch umklammerte. Sie wusste nicht mehr, wohin sie liefen. Die Welt um sie herum bestand nur noch aus dem Dröhnen des Wirbels, aus Sand, der zwischen ihren Zähnen knirschte, und abrupten Wechseln zwischen Helligkeit und Dunkelheit vor ihren tränenden Augen. Um dem Sturm weniger Angriffsfläche zu bieten, lief sie gebückt, dennoch zerrte er hart an ihren Kleidern und Haaren. Neben Arcad und ihr konnte sie verschwommen noch andere Gestalten ausmachen, die in dieselbe Richtung rannten, aber es war ihr unmöglich zu erkennen, um wen es sich handelte.
Schließlich verlor das Heulen des Wirbels ein wenig Kraft. Suvares Stiefel traten ins Wasser. Sie fuhr sich mit ihrer freien Hand über ihr sandverkrustetes Gesicht. Arcad hatte sie losgelassen. Allmählich setzten sich die Bilder vor ihren immer noch tränenden Augen wieder zusammen.
Vor ihr standen Corrya und Teras neben Themet und dem Elfen. Der Hauptmann der Wache hatte sich den bewusstlosen Piraten, den der Junge niedergeschlagen hatte, über die Schulter geworfen und ließ ihn gerade wie einen nassen Sack ins Boot fallen.
»Außer uns ist niemand mehr hier«, sagte Teras, als Suvare ihn aus rot geränderten Augen ansah. »Wir sind noch einmal umgekehrt, weil wir sahen, dass ihr in Schwierigkeiten wart ...«
Sie nickte erschöpft und sah zurück. Die Wolkensäule pflügte krachend durch das Erlengehölz nahe der Klippen, von denen die Bucht eingegrenzt wurde.
»Eivyns Leiche ...«
»Muss zurückbleiben«, schnitt Arcad ihr das Wort ab. »Wir können nicht zurück. Der Wirbel kann jederzeit wieder drehen. Wir sind noch längst nicht in Sicherheit.«
Suvare hatte das Gefühl, als sei dieser Satz aus dem Mund des Elfen der letzte Tropfen, der das Fass überlaufen ließe. Sie würde das tun, was sie sich verboten hatte, seitdem sie ihrer Mannschaft zum ersten Mal einen Befehl gab. Sie würde sich hier am Ufer ins Wasser setzen, und weinen, egal, ob sie jemand dabei sah oder nicht. Der unsichtbare Gürtel, den sie in Gedanken fest um ihre Brust geschnürt hatte, raubte ihr fast den Atem. Wenn sie ihn nicht lockerte, würde diese Härte, die sie sich selbst auferlegt hatte, sie erdrücken. Sie konnte es fühlen. Aber sie blieb auf ihren Beinen, auch wenn es ihr schwer fiel. Sie brach nicht in die Knie. Sie weinte nicht. Stattdessen stieg sie ins Boot. Die anderen folgten ihr. Daniro und Corrya ergriffen die Ruder und legten sich in die Riemen.
Dann entdeckte Suvare endlich etwas, das sie von ihrer Erschöpfung ablenkte. »Was soll der Kerl hier?«, herrschte sie Corrya an, mit ihrem Kinn auf den Piraten deutend, der noch immer bewusstlos ausgestreckt auf dem Boden des Bootes lag. »Seine Leute haben einen aus meiner Mannschaft umgebracht. Vielleicht war er es. Ich lasse nicht zu, dass wir ihn an Bord nehmen.«
»Ihr seid der Khor«, erwiderte Corrya ruhig mit einem leichten Kopfnicken. Sein Blick verweilte für einen Moment auf der langen Narbe des reglosen Mannes, die sich über dessen Augenbrauen von der einen Seite seiner Stirn zur anderen zog. »Wenn er nicht auf Eure Tjalk darf, dann werde ich ihn selbst ins Meer werfen. Aber ich dachte, ein Gefangener wäre uns vielleicht von Nutzen, wenn wir nach Menelon kommen. Auf
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