Runlandsaga - Feuer im Norden
Piraten sind Kopfgelder ausgesetzt, das wisst Ihr bestimmt gut wie ich.«
Suvare wandte sich mit einer geringschätzigen Handbewegung von ihm ab. »Macht, was Ihr wollt. Es ist mir egal. Aber sorgt dafür, dass er gefesselt wird, bevor er aufwacht.«
Obwohl Suvare bereits nicht mehr hinsah, nickte Corrya. Auf einmal richtete sich Themet so ruckartig auf, dass das Boot zu schwanken begann. Sein Arm schnellte nach vorn, als er auf den Strand zeigte. »Der Wirbel! Er hat gedreht!«
Die Köpfe aller im Boot Sitzenden fuhren herum. Tatsächlich hatte die bleigraue Wolkenmasse, während sie durch das Gehölz gepflügt war, einen weiten halbkreisförmigen Bogen beschrieben, der sie nun wieder in die Richtung des Ufers brachte. Suvares Rückgrat wurde bei dem Anblick kalt wie ein Eisblock. Das Monstrum hielt direkt auf die Flüchtenden in ihrem Boot und auf die Tjalk zu! Es war unmöglich, noch rechtzeitig die offene See zu erreichen – der Wirbel war einfach zu schnell. Er würde sie zerschmettern.
15
Sarn schielte beunruhigt zum Himmel empor, während sie den Weg zu ihrer Hütte entlanghastete. Verflucht, wo waren denn auf einmal die ganzen Sturmwolken hergekommen, ohne dass sie es schon Stunden vorher bemerkt hatte? Wurde sie etwa tatsächlich langsam alt? Sie schätzte sich als eine Frau ein, die schon so lange im Roten Wald lebte, dass sie das Wetter in diesem Teil der Welt gut vorhersagen konnte. An diesem Morgen hatte noch nichts von einem nahenden Unwetter gekündet, ja selbst vor einer halben Stunde hatte es kein Anzeichen dafür gegeben, dass sich der Himmel am hellichten Tag verfinstern würde wie im Spätherbst. Sonst hätte sie sich bestimmt nicht vor die Tür gewagt.
Im Gegenteil, der Tag hatte sonnig und hell begonnen, und Sarn hatte sich aufgemacht, einen letzten Rest Bärlauch abzuernten, der im warmen Wetter der letzten Tage schon beinahe wieder verblüht war. Wenn Neria sich auch langsam wieder erholte, so war sie doch immer noch erschöpft, weshalb Sarn darauf bestanden hatte, alleine zu gehen. Der von Bärlauch dicht wie ein grüner Teppich überwucherte Hang lag eine gute Stunde zu Fuß von der Hütte der Alten entfernt. Sarn war so beschäftigt damit gewesen, die breiten Blätter zu ernten, deren strenger Geruch ein wenig an Knoblauch erinnerte, dass es ihr gar nicht aufgefallen war, wie sich über ihr mehr und mehr Wolken zusammengeschoben hatten. Erst, als kalte Windstöße über den Hang gefegt kamen und die nahen Buchen lauter als gewöhnlich zum Rauschen brachten, war ihr der Wetterumschwung aufgefallen. Eilig hatte sie sich wieder auf den Heimweg gemacht. Sie verspürte nicht die geringste Lust, heute noch klatschnass zu werden.
Sie hatte den Hang kaum hinter sich gelassen, als die Böen zunahmen. Larnys, der sie schon auf dem Hinweg begleitet hatte, versuchte wie üblich ein Stück vorauszufliegen und auf einem Ast sitzend auf sie zu warten. Doch auf einmal schleuderte ihn ein Windstoß so unvermittelt zur Seite, dass er flatternd ins Gebüsch taumelte. Sarn, die von der plötzlichen Böe im Rücken getroffen wurde, stolperte vorwärts und blieb mit dem Fuß an einer Baumwurzel hängen. Sie schlug der Länge nach hin. Ihr Korb mit dem abgeernteten Bärlauch rollte über den Waldboden. Die Blätter wirbelten heraus und wehten davon.
Mit einem wütend herausgebrüllten Fluch rappelte Sarn sich auf und rannte dem Korb hinterher. Gebückt und immer noch laut vor sich hin schimpfend, beeilte sie sich, das Bisschen, was sie von ihrer Ausbeute in ihre Finger bekommen konnte, zurück in den Korb zu stopfen. Sie deckte den Rest der Blätter mit ihrem Halstuch zu und legte einen Stein als Gewicht obenauf. Ein weiterer Windstoß fegte den Pfad entlang und rüttelte grob an den Bäumen. Sie sah sich nach Larnys um, aber er war und blieb verschwunden. Schließlich zuckte sie die Achseln. Der Falke war nicht dumm. Bei solchem Wetter würde er sich tief im Dickicht verborgen halten und sich erst wieder blicken lassen, wenn der gröbste Sturm vorbei war. Jetzt war es vor allem wichtig, selbst heil nach Hause zu kommen.
Sie hatte dies kaum zu Ende gedacht, als dicht vor ihr ein breiter Ast von einer Buche losbrach und sie mit voller Wucht an der Stirn traf. Ein gleißender Blitz aus Schmerzen fuhr ins Innere ihres Kopfes. Der Korb entglitt ihren Fingern und war vergessen. Stöhnend ging sie in die Knie. Um sie herum schien der heulende Wind den Bäumen seinen Lebensatem einzublasen. Ihre Stämme
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