Runlandsaga - Feuer im Norden
einen Teil seines Gewichtes auf den verletzten Fuß und zog eine schmerzhafte Grimasse.
»Der Wirbel!«, brüllte Thurnas und deutete mit ausgestrecktem Finger hinter Arcad. »Er kommt genau auf uns zu!« Er begann, in Richtung des Wäldchens zu rennen.
Suvare hatte sie erreicht: »Nein, bleibt stehen! Er wird Euch einholen. Er bewegt sich landeinwärts. Wir müssen zurück zum Schiff, da sind wir sicherer!«
Thurnas blieb stehen und schüttelte heftig den Kopf. »Ich bin doch nicht verrückt! Wenn der Wirbel das Schiff erreicht, können wir auf dem Wasser nirgends hinfliehen.«
»Larcaan«, sagte Arcad eindringlich. Er näherte sein Gesicht dem des Händlers, den er immer noch stützte. »Wir hatten unsere Meinungsverschiedenheiten. Jedes Mal, wenn ich etwas sagte, habt Ihr gegen mich geredet. Ich bitte Euch, befolgt wenigstens dieses eine Mal meinen Rat! Thurnas hört auf Euch. Wir sind auf einem wendigen Schiff sicherer als zu Fuß an Land.«
Larcaan schwieg. Nur das Dröhnen des sich nähernden Wirbels und vereinzelte Rufe der Flüchtenden waren zu vernehmen. Dann wandte er sich Thurnas zu.
»Wir laufen zum Schiff!«
»Was?«, fragte Thurnas ungläubig nach.
Der Händler antwortete nicht und humpelte in die Richtung des Strandes. Sein Begleiter stieß einen leisen Fluch aus, stürmte ihm dann aber hinterher.
Suvare sah nicht mehr, ob beide es schafften, das Meer zu erreichen. Ihr Blick war auf einen Körper gefallen, der in einigen Fuß Entfernung im Sand lag. »Eivyn!«
Ihre Beine trugen sie trotz der schweren Erdstöße beinahe ebenso schnell zu der Gestalt, wie ihr der Schrei entkommen war. Arcad folgte ihr. Dabei stieß er fast mit einem anderen Piraten zusammen, der wie versteinert dastand und den Wirbel anstierte. Die dunkle Wolkenmasse ragte senkrecht in den Himmel und hatte ihn inzwischen bis weit an den Rand des Horizonts mit blaugrauen Sturmschlieren verdüstert. Der Strand war auf ihrem Kurs wie von einem monströsen Pflug aufgerissen worden.
Suvare hatte sich neben dem reglosen Körper niedergekniet und drehte ihn um, sodass sie sein Gesicht sehen konnte. Sie biss sich dermaßen hart auf die Lippe, dass diese zu bluten begann, doch sie bemerkte es nicht und starrte auf das sandverkrustete, bleiche Gesicht vor ihr.
Davor hatte sie Angst gehabt, seitdem sie zum ersten Mal als Khor an Bord der Tjalk gegangen war. Sie hatte einen Mann aus ihrer Mannschaft verloren, für den sie verantwortlich gewesen war. Sie hatte immer gewusst, dass dies einmal passieren würde. Die Seefahrt war harte und gefährliche Arbeit. Unfälle ließen sich nicht vermeiden. Sie hatte Glück gehabt, dass bisher noch niemand von ihren Leuten in einem Sturm über Bord gegangen war oder aufgrund einer Krankheit die Suvare in einem zugenähten Sack verlassen hatte. Aber jetzt war es geschehen. Eivyn war tot, und sie hatte es nicht verhindern können.
Ihre Hand fuhr über sein zerrissenes Hemd und berührte die tiefe Wunde an seinem Halsansatz. Als sie ihre Finger zurückzog, waren sie blutverschmiert. Sie ballte sie zu einer Faust, ohne es zu bemerken.
»Wir müssen weiter!«, gellte Arcads Stimme dicht an ihrem Ohr. »Ihr könnt ihm nicht mehr helfen!«
Suvare hob den Kopf. Ein paar Schritte von ihr entfernt rannten drei Gestalten in Richtung des Erlengehölzes nahe der Klippen, aus der die Angreifer gekommen waren. Eine von ihnen war der riesenhafte Kerl, der Themet in seine Gewalt gebracht hatte. Er hatte den Jungen noch immer fest am Arm gepackt und zog ihn mit sich. Themet mühte sich sichtlich, mit dem Mann Schritt zu halten. Neben den beiden lief ein weiterer Pirat, der um einiges kleiner war als der Hüne. Arcad, der ahnte, was geschehen würde, versuchte Suvare in den Arm zu fallen und sie aufzuhalten, doch es war zu spät. Sie sprang auf und stürmte mit weiten Sätzen auf die Piraten zu, um ihnen den Weg abzuschneiden. Der Wirbel steuerte indessen unaufhaltsam in ihre Richtung.
Der riesige Glatzkopf blickte zwar mehrmals hinter sich, aber seine Augen waren nur auf die wandernde Wolkenmasse gerichtet. Die Gestalt auf seinen Fersen fiel ihm erst auf, als sie sich dicht hinter ihm befand. Sofort stieß er den Jungen von sich und schwang seinen langen Knüppel, dem Suvare nur knapp ausweichen konnte. Auch der Begleiter des Hünen hatte sich umgewandt und ein langes Entermesser gezogen. Themet strauchelte, doch bevor er zu Boden fallen konnte, ergriff ihn eine Hand und zog ihn von den Kämpfenden fort. Es war der
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