Runlandsaga - Feuer im Norden
Nacht vorbereitete, ertappte sie sich dabei, dass sie beim Anzünden des trockenen Feuerholzes innehielt und sich umsah, weil sie über sich das Geräusch eines Vogels vernommen und beinahe erwartet hatte, Larnys auf einem Ast zu erblicken, seine gelben Augen neugierig auf sie gerichtet. Natürlich war er es nicht. Nur die Schatten verschmolzen schnell mit dem Dunkel der Blätter.
Sie fehlt dir, weil ihr euch gegenseitig das Leben gerettet habt, vernahm sie eine innere Stimme. Und weil ihr euch ähnlich seid.
Neria widersprach nicht. Aber zu wissen, wo ein Schmerz herkam, hieß noch lange nicht, ihn bannen zu können. Es tat weh, wieder alleine zu sein.
Sie bemühte sich, nicht weiter über Sarn nachzusinnen und stattdessen mehr an die nächsten Schritte ihrer Reise zu denken. Irgendwo jenseits der Grenzen des Waldes mussten die Menschen sein, die sie zu finden hoffte. Es war, als ob sie deren Anwesenheit in der Ferne wie ein Jucken in ihrem Geist spüren konnte. Allmählich kam sie sich wie eine von Ukannits zahmen Tauben vor, die immer wieder ihren Weg zu dem alten Mann zurückfanden, selbst wenn sie an einem Ort freigelassen wurden, an dem sie nie zuvor gewesen waren. Obwohl bisher nichts darauf hinwies, dass sie sich tatsächlich auf dem richtigen Weg befand, zweifelte sie nicht im Geringsten daran, dass am Ende ihrer Suche der Erfolg auf sie warten würde. Was auch immer der Wächter mit ihr angestellt hatte, das eigenartige Gefühl, geführt zu werden, war zu stark, um es als Hirngespinst abzutun.
Am Tag nach ihrem Abschied von Sarn stieß sie auf ein massives Nadelholzdickicht, das sich vor ihr von Nord nach Süd wie eine lückenlose Wand aufbaute. Neria blieb davor stehen, unschlüssig, wie sie sich entscheiden sollte. Alle Erfahrungen, die sie auf ihren Streifzügen in der Nähe ihrer Heimat gesammelt hatte, drängten sie dazu, das nur schwer zu durchquerende Unterholz zu meiden und stattdessen am Rand des natürlichen Walls weiter nach Norden zu gehen, wo nach den Erzählungen der Bewohner ihres Dorfes wie auch nach Sarns Berichten die Küste zu finden war. Doch das starke Ziehen in ihrem Körper, das sie in den letzten Tagen immer dann empfunden hatte, wenn sie sich nicht völlig sicher gewesen war, welche Richtung sie einschlagen sollte, wies nun genau in das Dickicht hinein und forderte sie auf, sich weiter nach Westen zu wenden.
Seufzend bückte sich Neria und tauchte, indem sie die breitesten Äste zur Seite bog, in das Unterholz ein. Binnen kürzester Zeit waren ihre Hände und ihr Gesicht von den vielen kleinen Zweigen, die ihr ins Gesicht schrammten, blutig gekratzt. Die Bäume besaßen hier keine breiten Stämme, sondern wuchsen schlank, standen aber dicht nebeneinander. Der Weg durch das Nadelgehölz nahm kein Ende. Schließlich musste sie darin ihr Lager aufschlagen, weil es bereits dunkel wurde und das Vorwärtskämpfen sie so erschöpft hatte, dass sie nicht mehr weiter konnte.
Ihre letzten Gedanken, bevor sie in ihren Umhang gehüllt einschlief, galten den unbekannten Menschen irgendwo in der Ferne, zu denen sie sich aufgemacht hatte. Wer sie wohl waren? Ob sie mehr von der Gefahr wussten, die Runland drohte, oder noch gar nichts ahnten?
Von wem auch immer sie sich leiten lassen, dachte sie, es ist kein Weißer Wolf. Sie sind Menschen. Sie glauben nicht an das, woran ich glaube. Sie scheren sich einen Dreck um den Wald. Sobald sie meine roten Augen sehen, wissen sie, dass ich keine ihrer Art bin. Dann werden die Schwierigkeiten anfangen.
Sarn ist auch ein Mensch, erhob sich eine andere Stimme in ihr. Und dennoch hat sie dich nicht verachtet. Sie hat dich so genommen, wie du bist.
Sarn ist etwas Besonderes. Es ändert nichts daran, dass man Menschen nicht trauen kann.
Schließlich fiel sie in einen unruhigen Schlaf voll wirrer Träume, in denen sie verzweifelt einen Unterstand vor einem heftig hernieder prasselnden Frühlingsgewitter suchte, als ob ihr Leben davon abhinge, sie aber keinen finden konnte.
Am folgenden Tag machte das Dickicht endlich allmählich wieder den breiten, hochaufragenden Blutbuchen Platz, die dem Roten Wald ihren Namen gegeben hatten. Nerias Schritte wurden, da sie besser vorankam, wieder schneller. Wie auch zuvor folgte sie dem Lauf der Sonne, die schließlich für ein weiteres Mal hinter den Baumkronen verschwand, um der Nacht Platz zu machen.
In der Abenddämmerung sah Neria das letzte bläuliche Licht des Tages zwischen den Buchen leuchten und hoffte,
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