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Runlandsaga - Feuer im Norden

Runlandsaga - Feuer im Norden

Titel: Runlandsaga - Feuer im Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Gates
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sehen kann, an welcher Stelle der Küste wir uns befinden. Wenn ich unsere Geschwindigkeit richtig eingeschätzt habe, dann müssten wir bald die Bucht bei den Weißen Klippen erreichen. Diese Gewässer kenne ich. Wir sind da schon früher vor Anker gegangen.«
    Sie wollte weitersprechen, als eine Bewegung neben ihr sie innehalten ließ. Eine Gestalt sprang mit einem Satz ins Licht der Öllampe und schoss dicht an ihnen vorbei. Enris stieß einen überraschten Schrei aus. Suvare zuckte zurück und kippte beinahe hintenüber. Sie warf die Lampe um, deren Licht verlöschte und die drei Sitzenden ins Dunkel stürzte. Polternde Schritte entfernten sich in die Richtung der Treppe zum Oberdeck, dann herrschte wieder Stille.
    »Verdammt, der Junge hat uns gehört!«, vernahm Suvare Enris neben sich. Die Bodenplanken knarrten, als er sich erhob. »Ich werde ihm nachgehen.«
    »Nein, bleib hier«, meinte Arcad. »Er ist auf einem Schiff. Weit kann er da nicht fortlaufen. Und ich glaube nicht, dass er sich ins Meer stürzen wird. Er ist viel wütender auf dich als auf sich selbst. Außerdem hätte ich dich gern bei dem, was wir zu bereden haben, dabei.«
    Suvare hatte fast damit gerechnet, dass der junge Mann widersprechen oder dem Kind hinterherrennen würde, ohne weiter auf Arcad einzugehen. Doch dann hörte sie, wie sich Enris wieder setzte. Offensichtlich hatte er bereits seine Erfahrungen mit dem Endar gemacht. Ob sie sich nun auf Kinder verstand oder nicht, sie wäre Themet am liebsten selbst nachgelaufen, um ihn zu trösten. Sie suchte in den Taschen ihrer Weste nach einem Zunderhölzchen. Was sie zu besprechen hatten, verlangte nach Licht.

8
    Wolken, feuchte, kalte Wolken überall um sie herum.
    Ihr Kopf ist angefüllt mit ihnen, sie dehnen sich aus, ein graues Nebelmeer, in dem jeder Gedanke ertrinkt, kaum dass er geboren wurde.
    Die Wolken haben alle Farben und Formen verschluckt, als hätte es nie etwas anderes gegeben als diese kalte Masse. Hin und wieder geistern Schatten durch den Nebel, dunkle Schleier in dem einförmigen, rauchigen Grau. Doch immer, wenn sie sich nähern und deutlichere Formen anzunehmen beginnen, wehen neue Wolken heran, die klamme Kälte nimmt zu, die Schatten ertrinken wieder und sind fort.
    Nur ein einziges klares Bild hält sie fest in seiner Umklammerung, ein einziger Schatten, der nicht weichen will, sondern dessen Konturen zu- und abnehmen, als pulsierten sie in dem Treiben der sie umgebenden Wolken. Es ist das Bild eines bleichen Gesichts, auf verzerrte Weise jung erscheinend, aber so ausgezehrt, dass es sein wirkliches Alter nur schlecht verschleiert. Dieses Gesicht starrt sie an. Die Augen sind das Einzige an ihm, das nicht immer wieder in das lähmende Grau eintaucht, um gleich darauf erneut an die Oberfläche zu schwimmen. Klar und scharf bohren sie sich in ihren Geist. Ein dunkler Hunger brennt in ihnen, dessen Kälte verzehrender ist als jedes lodernde Feuer. Es sind die Augen des All-Verschlingers, des Ewig Hungrigen, des Verfluchten. Er hat die Gestalt eines riesigen schwarzen Wolfs. Niemals wird er satt, alles, was er sich einverleibt, brennt gewaltige Löcher aus neuer Gier in seinen Bauch, ewig ist er dazu verdammt, sie aufzufüllen, mehr und mehr in sich hineinzuschlingen in seiner rastlosen Jagd. Eines Tages wird er die Sonne selbst verzehren. Während sie seine Eingeweide verbrennt, wird er heulend durch die Nacht toben und die Säulen der Welt in seiner wilden Raserei zum Einsturz bringen, und alles Leben wird in Kälte und Finsternis enden.
    Starr vor Grauen bleibt ihr nichts anderes übrig, als in die hungrigen Augen vor ihr hineinzustürzen. Sie spürt, wie das Leben aus ihr herausrinnt, fühlt am äußersten Rand ihrer Wahrnehmung, wie sie den Verschlinger nährt und seine brennenden Augen verstärkt durch die Kraft ihres Lebens noch düsterer durch das Wolkenmeer ihres Verstandes leuchten.
    Dann zieht sich das Gesicht mit einem Mal zurück. Ihre Erschöpfung ist so groß, dass selbst der Nebel in ihrem Geist zu schwinden scheint, um nichts weiter als Vergessen und Leere zu hinterlassen.
    »Bleib wach.« Eine geflüsterte Stimme, rau und hart direkt an ihrem Ohr.
    Mit diesen von außerhalb ihres Körpers vernommenen Worten verrann die gefrorene Zeit um sie herum wieder. Die Stimme hatte in den Eisblock ihres Verstandes wie ein Dolch hineingeschnitten, der noch glühend vom Amboss aufgenommen wurde. Doch Neria war viel zu müde, ihre Erschöpfung zu groß. Mochte die

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