Runlandsaga - Sturm der Serephin
ertönt noch lauter. »Jetzt geht das schon wieder los! Vielleicht hab ich in letzter Zeit häufiger als sonst was getrunken, aber deswegen bin ich verdammt noch mal kein Säufer! Seh ich aus wie einer von denen, die im Hafen auf der Straße schlafen? Ich hab einen Gasthof. Ich arbeite hart. Kein Wunder, dass ich auch mal etwas mehr trinke, wenn ich mir nach einem langen Tag dauernd dein Gezeter anhören muss!«
Themet hat sich auf die Treppe gesetzt und die Knie an die Brust gezogen. Er mag nicht weiter zuhören, er hasst es, wenn seine Eltern sich anschreien, wenn sie sich gegenseitig Vorwürfe um die Ohren schlagen.
Er will nichts mehr davon wissen, aber er hat keine andere Wahl, als sitzen zu bleiben und weiter zu lauschen, während die Kälte der hölzernen Stufen in seine nackten Fußsohlen kriecht und sich der Streit in der Küche fortsetzt wie das endlose Rauschen der Brandung, dem man nicht entgehen kann, wenn man am Meer lebt.
Er hat keine andere Wahl, als zuzuhören, denn diese Streitereien seiner Eltern sind lähmender als seine Müdigkeit. Er hasst die beiden dafür, dass er ihretwegen im Dunkeln sitzen muss, und er schämt sich für seine Wut auf sie.
Themet blickte von den kartoffelschälenden Händen seiner Mutter wieder zu den Rühreiern auf seinem Teller.
»Kann ich vor dem Mittagessen noch mit Mirka und Velliarn spielen?«, fragte er.
Schon als er die Frage stellte, war ihm klar, dass es nach den Ereignissen des Vorabends mit dem Verlassen des Gasthofs Schwierigkeiten geben würde. Als er nun bemerkte, wie seine Mutter in ihrer Arbeit innehielt und für einen Moment schwieg, diente dies nur zur Bestätigung.
Rena seufzte.
»Muss dass denn unbedingt heute sein? Hat es nicht gereicht, was dir gestern zugestoßen ist?«
Themet schob verärgert seinen Teller von sich, obwohl noch etwas zu essen darauf lag.
»Mama, wir wollen doch nur zusammen spielen. Außerdem ist es helllichter Tag! Was soll schon sein?«
»Ay, es ist helllichter Tag, aber nur ein paar Stunden, nachdem du beinahe umgebracht worden wärst. Die Kerle laufen immer noch frei herum! Jedenfalls hat die Stadtwache sie noch nicht gefunden. Glaubst du, ich lasse dich draußen im Hafen herumlaufen, solange man sie nicht ins Verlies der Festung geschafft hat?«
»Aber vielleicht sind sie ja schon längst mit einem Schiff abgereist«, hielt Themet dem entgegen. »Ich will nicht den ganzen Tag zu Hause herumsitzen. Ich will etwas mit meinen Freunden unternehmen!«
»Nicht heute!«, sagte Rena streng und in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. »Ich bin sicher, dass Mirka und Velliarn heute auch nicht rausdürfen. Du wirst es bestimmt aushalten, mal einen Tag zu Hause zu bleiben. Wir wollen hören, was die Wache heute Abend zu sagen hat, dann sehen wir weiter.«
Themet war der Appetit vergangen. Er schob den Stuhl zurück und stand auf.
»Kann ich nach oben gehen?«, fragte er. In seiner Stimme schwang verhaltener Ärger mit.
Rena nickte.
»Ay, aber komm heute Nachmittag wieder herunter. Es tauchen Gäste für eine Feier auf, da können wir Hilfe in der Küche brauchen.«
Themet erwiderte nichts darauf, sondern machte, dass er aus dem Raum kam. Mit langen Sätzen rannte er die Treppe hinauf in sein Zimmer und warf sich aufs Bett.
Es war so ungerecht! Nur weil seine Mutter übervorsichtig war, sollte er den Tag hier drin verbringen, und falls sie wieder mit seinem Vater stritte, müsste er es mit anhören! Er konnte ja nicht weg.
Es war nicht so, dass ihm der Gedanke, den unheimlichen vier Männern vom Vortag erneut zu begegnen, keine Angst eingejagt hätte. Aber er hatte nicht vor, so wie gestern im Hafen zu spielen. Außerdem waren um diese Tageszeit ständig Leute auf den Straßen. Und vielleicht hatten seine Entführer tatsächlich schon längst das Weite gesucht. Er hatte sich gerade schon einmal getäuscht, als er geglaubt hatte, der Mann an der Ecke vor dem Anker sei einer von ihnen. Ständig über die eigene Schulter zu blicken, war anstrengend und lächerlich!
Aber was sollte er nun tun? Er wollte weg! Besonders an diesem Tag hatte er keine Lust, das Verbot seiner Mutter zu beachten. Er hätte es niemals einem Erwachsenen mit Worten erklären können, aber es gab etwas in ihm, das ihm versicherte, es würde gut sein, heute etwas mit Mirka und Velliarn zu unternehmen. Solange er zu Hause blieb, haftete dem Tag die Erinnerung an den Vorabend in der Lagerhalle an und weigerte sich, zu verblassen. Würde er hingegen
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