Runlandsaga - Sturm der Serephin
oder sich auf ihren Entführer stürzten, wenn er damit beschäftigt sein würde, die Leiter herabzukommen. Aber er verfolgte den Gedanken nicht weiter. Er hatte gesehen, was für Kräfte dieser Mann besaß. Ihn einfach überwältigen zu wollen, käme Selbstmord gleich. Und die Höhlen konnten zu einer gefährlichen Falle werden, wenn sie wegrannten. Nein, sie mussten Geduld zeigen und hoffen, dass irgendetwas geschähe, das ihnen einen Vorteil bringen konnte. Sie mussten warten.
Arcad hatte sich mit der Fackel in der Hand dem hinteren Teil des Kellers zugewandt, als er gesehen hatte, wie Ranár hinter Enris die Treppe herabgestiegen kam. Nun folgten ihm die anderen zu dem geheimen Gang, den Margon, Thaja und Enris vor wenigen Stunden entdeckt hatten.
»Hier ist der Eingang zu den Höhlen«, sagte er über die Schulter hinweg.
»Geh nicht zu weit voran«, erwiderte Ranár. »Ich will sehen, was du tust!«
Arcad antwortete ihm nicht, aber als er durch die Öffnung trat, blieb er ein wenig hinter dem Eingang stehen und wartete, bis die anderen an ihm vorbeigegangen waren. Der Schein der Flammen ließ Schatten über sein versteinert wirkendes Gesicht tanzen. Es schien gerade ihr hektisches Spiel zu sein, das dem Elfen das tote Aussehen einer Statue verlieh, eines Wächters am Eingang zu der Höhle, in deren Tiefe das unbekannte schwarze Tor auf sie wartete.
Gemeinsam schritten sie nacheinander in einer Linie, die Arcad anführte, den abschüssigen Gang entlang. Wieder lauschte Enris auf Ranárs Schritte hinter ihm, wie er es zuvor auf der Wendeltreppe in der Nadel getan hatte. Vor ihm schimmerten Mirkas rote Haare im Schein der Fackel, die Ranár an sich genommen hatte.
Niemand sprach ein Wort, weder der Elf, noch die drei Menschen oder die beiden Kinder. Auch ihr Entführer schwieg. Das dumpfe Widerhallen von Schritten auf dem Steinboden war das einzige Geräusch, das in dem langen Gang zu vernehmen war. Sobald die stille Gruppe einen Teil des Weges zurückgelegt und das Licht der beiden Fackeln ob der Entfernung wieder drückender Finsternis Platz gemacht hatte, war es ganz so, als hätte sich an diesem Ort tief im Inneren der Klippen seit Hunderten von Jahren niemals etwas Lebendiges gerührt und als wären auch diese Gestalten nichts anderes gewesen als ein Traum, den die schweigenden Steine in ihrer ständigen Dunkelheit ersonnen hatten.
Enris’ Herz begann, schneller zu schlagen, als sie sich der Öffnung zu der großen Halle näherten. Er fragte sich, was geschehen würde, wenn sie vor dem schwarzen Tor stünden. Was, wenn der Fremde ihnen befehlen würde, über das Feld mit den Fallen zu gehen, weil er sie erst auslösen wollte, bevor er selbst hindurchgehen würde? Diesem Kerl war zuzutrauen, dass er ohne zu zögern einen nach dem anderen von ihnen opfern würde, um das zu erreichen, was er wollte – was immer das sein mochte.
Erleichtert atmete er auf, als Ranár ihnen wenige Meter, nachdem sie alle die Halle betreten hatten, stehen zu bleiben befahl. Arcad drehte sich zu ihrem Entführer um.
»Es ist gefährlich hier, so dicht am Quelor«, sagte er. »Als wir vor ein paar Stunden hier waren, haben wir eine der Fallen ausgelöst, die im Boden und in den Wänden versteckt sind.«
»Ich weiß selbst um die Gefahr«, entgegnete Ranár. »Was glaubst du, weshalb ich euch gesagt habe, dass ihr stehen bleiben sollt? Damit das klar ist: Ob einer von euch oder meinetwegen auch ihr alle durch eine der Fallen umkommt, ist mir völlig egal. Aber ich will nicht, dass ihr hier herumtrampelt und womöglich einen Hebel auslöst, der dafür sorgt, dass sich das Quelor nicht mehr oder noch schwieriger öffnen lässt.«
Enris bemerkte, wie Margon Thaja ein weiteres Mal die Hand fest auf die Schulter legte, um sie davon abzuhalten, etwas zu erwidern.
»Ich hoffe«, fuhr Ranár fort, »dass ihr bei euren bisherigen Bemühungen nicht zuviel Schaden angerichtet habt.«
Seine Augen richteten sich auf das Tor am anderen Ende der Halle, das er im schwachen Licht der Fackeln kaum erkennen konnte.
Margon, der Ranárs Blick folgte, stellte fest, dass es diesmal etwas dunkler erschien als bei ihrem ersten Aufenthalt hier unten. Dann fiel ihm ein, dass die beiden Fackeln an den Seitenwänden, die der Elf wohl mitgebracht und entzündet hatte, inzwischen heruntergebrannt waren. Wieder spürte er die massive Kraft, die von dem Tor ausging, und wieder fragte er sich, welchem Zweck es dienen mochte und warum es sowohl ihrem
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