Runlandsaga - Sturm der Serephin
und deine Vergangenheit bewahrte. So hast du mich aus dir selbst in einem magischen Ritus erschaffen, bevor du deinen Serephinkörper aufgegeben hast – mich, die Verbindung zu deiner Vergangenheit. Es war meine Aufgabe, bei deinem allmählichen Erwachen an deiner Seite zu stehen und dich als dein Lehrer Stück für Stück an deine Erinnerung und an das Dasein als Serephin heranzuführen. Wenn du eines Tages bereit dafür gewesen wärst, in deinem Serephinkörper wiedergeboren zu werden, so hätten wir uns erneut vereinigt und wären als das eine Wesen, das wir einst waren, in unsere Heimat Vovinadhár zurückgekehrt.
Ich hatte gehofft, dass dies noch vor deinem Tod als Margon geschehen würde. Mir war immer bewusst: Wenn dein menschlicher Körper eines Tages vor der Vereinigung sterben würde, so würdest du wie alle anderen Menschen irgendwann wiedergeboren werden, ohne dich an dein letztes Leben zu erinnern, und ich würde erneut damit beginnen müssen, dich zu unterweisen.«
Er hielt für einen Moment inne, bevor er weitersprach.
»Nun sieht es allerdings ganz danach aus, als ob genau das eintreten wird.«
Moranon stand so reglos inmitten der bebenden Steinfläche, als hätten Myrddins Worte ihn versteinert. Die klaffenden Spalten im Boden rissen mit jedem Beben immer weiter auseinander. Seine Frau musste mit einem schnellen Sprung einem neuen Loch zu ihren Füßen ausweichen, doch er selbst rührte sich nicht. Zu ungeheuerlich war das, was Myrddin ihm gesagt hatte.
»Warum hast du mir nicht schon viel früher die Wahrheit erzählt?«, rief er. »Von unserer ersten Begegnung an hast du mich in dem Glauben gelassen, ich wäre ein sterblicher Mensch. Selbst bei unserem letzten Treffen, als ich dir von meiner Reise in die Welt der Serephin erzählte, warst du nicht ehrlich mit mir!«
»Ich wollte dich beschützen, Moranon«, antwortete Myrddin. »Ich war selbst sehr überrascht, dass es dir gelungen war, trotz deines unvollkommenen menschlichen Verstandes, in dem du gefangen bist, unsere Heimat aufzusuchen. Hätte ich dir zu früh erzählt, dass wir beide ein einziges Wesen sind, dann hättest du vielleicht versucht, uns wieder eins werden zu lassen, ohne dazu bereit zu sein. Ich wollte nicht die Aufgabe eines ganzen menschlichen Lebens übereilt zerstören!«
Moranon hatte Myrddins letzte Worte kaum gehört.
»Ich – ein Serephin«, murmelte er.
Er erinnerte sich an die Gestalten, von denen er während seiner letzten Geistreise verfolgt worden war, Wesen, die ihn offensichtlich wieder erkannt hatten. Aber warum hatten sie ihm nachgestellt? Wer, im Namen der Schicksalsherrin, war er? Er brannte darauf, Myrddin zu weiteren Antworten zu drängen, aber er wusste auch, dass er sich nicht darauf einlassen durfte. Die Zeit lief ihnen davon – manche Rätsel würden ungelöst bleiben müssen.
Er holte tief Luft.
»Ich danke dir, dass du mir die Wahrheit gesagt hast. Doch du hast wieder einmal Recht behalten. Das alles spielt jetzt keine Rolle mehr. Wer auch immer ich tatsächlich sein mag, eines weiß ich mit Sicherheit: Ich muss dafür sorgen, dass Arcad, Enris und die beiden Kinder am Leben bleiben. Sie brauchen unsere Hilfe und vertrauen uns.«
Margon ergriff Thajas Hand.
Wie warm sie sich anfühlt! Wie gerne ich immer ihre Haut berührt habe!
»Als ich noch jung war, hätte ich mein Leben nur für eine wirklich große Sache hingeben wollen, denn mein Leben erschien mir das kostbarste Gut. Dann bekämpfte ich Nodun, die größte Bedrohung, die Runland jemals erlebt hatte, und ich habe überlebt. Dann kann ich es heute getrost für die lassen, die nach mir für das Leben streiten werden. Und für eine Weile Ruhe finden.«
»Ich weiß, was meine Bestimmung war«, sagte Thaja mit fester Stimme. »Mein Leben als Heilerin, und mein Leben zusammen mit dir. Mir ist egal, ob du ein Serephin oder ein Mensch wie ich bist. Du bist mein Mann, und das Leben, das wir miteinander geführt haben, war ein gutes Leben. Es hätte vielleicht noch viele Jahre dauern können, aber heute ist ein ebenso guter Tag, das Totenboot zu besteigen und ins Sommerland zu fahren, wie jeder andere. Trotz ...«
Sie hielt kurz inne. Ihr Blick glitt für einen Moment zu Boden, dann sah sie ihm wieder in die Augen.
»Trotz meiner Angst.«
Moranon umarmte sie wortlos und spürte die Wärme ihres Körpers. Obwohl er wusste, dass sie ihr Schicksal besiegelt hatte, indem sie mit ihm gekommen war, gab es tief in ihm etwas, das sich wie ein
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