Runlandsaga - Sturm der Serephin
der Festung die Klippe durchziehen. Sie hatten am Strand Seetang gesammelt, aus dem ihre Mütter Suppe kochen wollten. Ehrlich gesagt, kann ich nicht verstehen, wie man jemals auf die Idee gekommen ist, dieses widerliche Zeug in einen Topf zu stecken und es tatsächlich zu essen – es stinkt noch erbärmlicher als Fisch, der zu lange in der Sonne gelegen hat. Einige der älteren Leute in Andostaan essen heute noch Seetangsuppe. Habt Ihr sie mal probiert?«
Margon schüttelte den Kopf und sah ihn ungeduldig an. Enris beeilte sich, den Faden seiner Geschichte wieder zu finden.
»Na, jedenfalls waren die Kinder fast am nördlichen Ende der Bucht angekommen, wo der Sandstrand aufhört und die ersten hohen Klippen anfangen. Auf einmal sahen einige von ihnen die drei Schiffe der Piraten auf dem Wasser. Sie erkannten sie sofort: Langarm war an den Küsten des Wildlands bekannt dafür, wie gut er mit dem Wurfbeil umgehen konnte, und seine Flagge zeigte zwei gekreuzte Beile.
Einige der kleineren Kinder gerieten in Panik, aber die beiden Ältesten behielten zum Glück für alle einen klaren Kopf. Sie brachten die anderen dazu, sofort hinter den größeren Felsen am Strand in Deckung zu gehen. Von dort aus beobachteten sie, wie Langarms Schiffe in den Hafen von Andostaan einfuhren und wie ihre Verwandten aus der Siedlung hinaus und in die Festung auf der Spitze der Steilklippe flüchteten. Der Weg dort hinauf und in die Sicherheit ihrer Mauern war den Kindern versperrt, denn er begann hinter der Siedlung, wo es ins Landesinnere ging. Dort waren Langarms Männer. Die Klippen geradewegs hinaufzuklettern, wäre schierer Selbstmord gewesen. Es blieb ihnen also nichts anderes übrig, als in ihrem Versteck abzuwarten und zu hoffen, dass die Piraten irgendwann mit dem Durchsuchen der leeren Häuser nach Beute fertig sein und wieder davonsegeln würden.
Da kam eines der Kinder auf die Idee, sich in den Höhlen unter der Steilklippe zu verstecken. Alle waren sofort dafür – in ihrem Inneren würden sie noch besser geschützt sein als unter freiem Himmel. Also schlichen sie sich in der Deckung der Felsen vorsichtig zum Eingang, der unmittelbar am Strand beginnt. Und für ein paar Stunden fühlten sie sich sicher.«
»Aber dann begann die Flut zu steigen, nicht wahr?«, meldete Margon sich zu Wort.
Enris nickte.
»Genau. Einige Abschnitte der Höhlen am Strand werden dann ziemlich gefährlich. Tümpel, die einem bei Ebbe bis zur Brust reichen, können sich während der Flut mit einem Mal in tödliche Fallen für jeden verwandeln, der nicht schwimmen kann. Die Kinder fanden sich plötzlich in einem Abschnitt der Höhlen wieder, der eine sehr niedrige Decke besaß und sich schnell mit Meerwasser füllte. Sie wagten es nicht, ihr Versteck zu verlassen, denn es war Abend geworden, und Langarms Männer hatten inzwischen ein Feuer am Strand entfacht. Also drangen sie tiefer in die Höhlen vor. Sie richteten sich nach den Pfaden im Gestein, die nach oben führten, weg von der Flut. Auf einem der Wege in diesem Irrgarten aus Höhlen gelangten sie schließlich bis hierher, wo wir uns gerade befinden. Sie beschlossen abzuwarten, bis die Piraten wieder davonsegeln würden. Den Eingang hinter uns benutzten sie als Ausguck.«
Enris hielt inne und blickte aufs Meer hinaus. Es hatte aufgehört zu regnen, aber der Himmel hing immer noch grau und dunkel über dem Wasser.
»Die Leute in Andostaan erzählen sich, dass die Kinder drei Tage und Nächte in den Höhlen ausharrten«, sagte er. »Drei Tage und Nächte hungerten sie. Wenn ihr Durst zu groß wurde, gingen sie bei Ebbe zum Strand zurück und tranken Regenwasser, das sich in den Höhlungen der Felsen gesammelt hatte.
Schließlich zogen die Piraten wieder ab. Sie hatten die Siedlung verwüstet und einige Häuser in Brand gesteckt, aber die Mauern von Carn Taar hatten sie nicht überwinden können, so sehr sie auch nach einer Möglichkeit gesucht hatten. Langarm musste ohne Geiseln und ohne Beute weitersegeln. Als die Kinder seine Schiffe am Horizont verschwinden sahen, verließen sie die Höhlen und rannten zu ihren Eltern, die fast von Sinnen vor Sorge um sie gewesen waren.«
Enris wandte sich Margon zu.
»Eine spannende Geschichte, ohne Zweifel. Aber ich glaube, sie stimmt nicht ganz.«
»Was meinst du damit?«, fragte der Magier.
»Ich glaube einfach nicht, dass die Kinder hier drei Tage ausgehalten haben«, erwiderte Enris. »Als ich die Geschichte zum ersten Mal hörte, fand ich
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