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Runlandsaga - Sturm der Serephin

Runlandsaga - Sturm der Serephin

Titel: Runlandsaga - Sturm der Serephin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Gates
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seinen Körper. Er fühlte kaltes, feuchtes Gestein um sich herum, doch diesmal rührte das Empfinden nicht vom Turm her. In die Kälte mischte sich ein Geräusch, ein dumpfes Grollen, gleichförmig und stetig wiederkehrend, als läge er im Inneren einer gewaltigen Trommel, auf die in langsamem Takt geschlagen wurde. Das Geräusch weckte in ihm die Erinnerung daran, wo er sich befand. Er war in der Höhle der Kinder , wie sie von den Einwohnern Andostaans genannt wurde. Diesen Ort hatte er schon mehrmals aufgesucht, wenn er Ruhe und Ungestörtheit für eine Reise in die Geistwelten benötigt hatte. Die Höhle wurde kaum je von Menschen betreten, weil es nicht einfach war, sie zu erreichen. Ihr höchster Punkt lag unterhalb von Carn Taar, etwa auf halber Höhe zwischen dem Rand der Steilklippe und der Wasseroberfläche. Von der Festung aus konnte man nur über einen schmalen und schlüpfrigen Pfad zu ihr gelangen, der sich versteckt zwischen den steilen Felsen abwärts wand, bis er schließlich vor dem Eingang endete, einem niedrigen, schmalen Loch in der Felswand, das genau auf das Meer hinauswies. Das dumpfe Grollen, das Moranon hörte, war die Bewegung der Brandung, deren Rauschen bis hierher ins Innere der Felsen vordrang.
    Erneut fröstelte er. Diesmal spürte er, wie sein ganzer Körper zusammenzuckte. Er lag auf hartem Stein, seine Zähne schlugen aufeinander, und seine Glieder schmerzten, weil er sie in dieser feuchten, kalten Luft schon so lange nicht mehr bewegt hatte. Auf der Haut fühlte er den Stoff der Kleidung, die er trug. Die Robe, die seinen Geistkörper in den unsichtbaren Welten umgab, war wieder zu einer einfachen Tunika mit langen Hosen darunter geworden, wie sie die meisten Menschen des Nordens trugen.
    Stöhnend öffnete er die Augen.
    Zunächst konnte er nichts sehen. Es war, als sei sein Geist noch immer in der Dunkelheit des Turms gefangen. Dann erkannte er die schwachen Umrisse mehrerer mannshoher Felsen um ihn herum und in Kopfhöhe einen Lichtschimmer auf dem Gestein, dessen Quelle sich hinter ihm befand.
    Gleichzeitig begann der Schattenwanderer in ihm wieder in den Hintergrund zu treten, wie immer, wenn er sich als Margon fühlte. Moranons Gedanken und Empfindungen waren zwar immer noch vorhanden, aber sie wurden ein klein wenig zu etwas Fremden, wie die Aufzeichnungen eines Menschen in einem Tagebuch, in das dieser lange nicht mehr geblickt hatte, und die beim erneuten Lesen beinahe wie die Erzählungen eines anderen wirkten.
    Er hasste diesen verwirrenden Moment des Auftauchens, wenn beide Persönlichkeiten für einen kurzen Augenblick gleich stark in ihm vorhanden waren.
    »Margon«, flüsterte er. Seine Stimme klang heiser, weil er sie seit Stunden nicht mehr benutzt hatte.
    »Margon. Margon.«
    Das Gefühl, beide gleichzeitig zu sein, Moranon und Margon, ließ ihn jedes Mal orientierungslos und schwindelig werden. Sein Herz raste. Doch die Aufmerksamkeit auf jenen Namen zu richten, den er in der Welt von Runland trug, half ihm, sich zurechtzufinden. Es tat gut zu hören, wie sein Mund ihn aussprach.
    Er war Margon, ein hochgewachsener Mann, dessen Körper im Winter bereits die Last des Alters zu spüren begann, ein Mann mit ergrautem Haar und einem kurz geschorenen, ebenso grauen Vollbart. Früher war er Margon, der Harfner, gewesen. Sein Harfenspiel hatte ihn vor über dreißig Jahren mit Callis, dem Geschichtenerzähler, zusammengeführt. Gemeinsam hatten sie einen Kampf gegen den Dämon Nodun geführt und ihn besiegt, Nodun, den Herrn der Finsternis.
    Damals hatte alles angefangen. Zu jener Zeit war in ihm der Wunsch erwacht, das Wissen um die Verborgenen Dinge zu erlangen, das, was die meisten Menschen, die sich nicht damit beschäftigten, Magie nannten. Das Spiel seiner magischen Elfenharfe Syr hatte ihn in die Geistwelten geschleudert, wo er Myrddin zum ersten Mal getroffen hatte, seinen Lehrer, der ihm seinen Wahren Namen genannt hatte: Moranon, Schattenwanderer.
    Er hatte nicht von Anfang an geglaubt, dass es seine Bestimmung sei, mehr über die Verborgenen Dinge in Erfahrung zu bringen. Doch er war immer wieder in die Geistwelten zurückgekehrt, zu seinem Turm und zu Myrddin. Über die Jahre hinweg hatte er mehr und mehr erfahren und gelernt.
    Ay, er war Margon, doch mittlerweile war er nicht mehr als Harfner bekannt, sondern als Gelehrter und Magier. Nur noch wenige erinnerten sich an den jungen Mann, der ganz Runland bereist und an den Höfen von Nilan bis Tasath seine

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