Runlandsaga - Sturm der Serephin
Richtung geblickt. Vorsichtig spähte er, die hölzerne Wand der Halle als Deckung nutzend, zu den Kerlen hinüber.
»Ich mag‘s nicht, wenn Bälger mich so laut ansprechen!«, knurrte der Mann, der den Jungen festhielt. Plötzlich blickte er kurz auf und sah sich um. Die anderen, die eben noch laut aufgelacht hatten, als ob ihr Kamerad gerade einen großartigen Witz gerissen hätte, drehten ebenfalls die Köpfe in alle Richtungen. Schnell zog sich Enris in den Schutz der Wand zurück. Er war nicht sicher, ob er gesehen worden war, aber es näherte sich ihm auch niemand, denn er hörte, wie die Kerle in einiger Entfernung weiterredeten.
»Sollten wir nicht lieber von der Straße runter, Khor ?«
Enris fragte sich, wer von ihnen mit dem Ausdruck der Seeleute für Schiffsführer angeredet worden war. Der Hochgewachsene antwortete. Offensichtlich war er derjenige, der das Sagen hatte.
»Meinst du, ich hätte ein Problem damit, von jemandem gesehen zu werden? – Fang bloß nicht an zu heulen, Junge, sonst kriegst du gleich noch eine! Ich will keinen Mucks von dir hören!«
Eine andere Stimme. Leise und vorsichtig.
»Nein, keiner von uns denkt das. Aber warum sollen wir den ganzen Hafen rebellisch machen, wenn‘s gar nicht notwendig ist?«
»Verdammt noch mal, was seid ihr bloß für ein Haufen Weiber! Die Bauern von der Stadtwache würden ihre eigenen Hintern nicht finden, wenn sie die nicht hin und wieder abwischen müssten! Na gut, verschwinden wir von der Straße, bevor sich noch einer von euch in die Hosen macht!«
»Aber wohin?«
Wieder eine andere Stimme.
»Warum nicht in das Lagerhaus da drüben? Scheint doch leer zu stehen.«
»Also los!«
Der Anführer hatte kaum ausgesprochen, als Enris sich in Bewegung setzte. Ihm war nicht klar, welches Lagerhaus sie gemeint hatten, aber das, an dessen Ecke er stand, besaß einen Eingang nur wenige Meter von ihm entfernt. Glücklicherweise dämpfte der prasselnde Regen seine Schritte. So leise wie möglich lief er an der Wand des Gebäudes zurück und bog genau in dem Augenblick um die gegenüberliegende Ecke, als er erneut Stimmen vernahm. Erleichtert atmete er auf. Hatte er doch den richtigen Riecher gehabt, nicht stehen zu bleiben!
»Hast du deine Dietriche dabei?«
»Was glaubst du denn? Eher laufe ich ohne Stiefel herum!«
»Beeil dich! Das Wetter in dieser Drecksgegend macht einen ja trübsinnig!«
Enris hörte ein lautes Knarren, als die Tür zur Lagerhalle geöffnet wurde. Dann eilige Schritte und Stille. Vorsichtig spähte er um die Ecke der Bretterwand. Der Platz vor dem Eingang war leer.
Er biss sich mit gerunzelter Stirn auf die Lippe. Was sollte er nur tun? Wer vermochte zu sagen, was diese Kerle da drinnen mit dem Jungen anstellen würden! Wenn er losliefe, um die Wache um Hilfe zu rufen, wäre der Kleine vielleicht schon tot, wenn sie einträfe. Nein, er musste selbst etwas unternehmen! Er war hier. Irgendwie musste er dem Jungen beistehen.
Bemüht, nicht zu laut aufzutreten, schritt er zur Tür. Sie war nur angelehnt. Er öffnete sie ein wenig, bereit, sofort innezuhalten, sollten ihre rostigen Scharniere quietschen. Als er durch den Spalt spähte, sah er nur mehrere übereinandergestapelte Holzkisten unmittelbar vor dem Eingang, die fast sein ganzes Blickfeld versperrten, und einen schwachen Lichtschimmer im Hintergrund der Halle, vor dem sich mehrere schattenhafte Gestalten bewegten.
Enris öffnete die Tür etwas weiter. Er wollte nicht riskieren, dass sie so laut knarren würde wie bei den Männern und dem Jungen eben, deshalb zwängte er sich durch die schmale Öffnung, die er geschaffen hatte, und lehnte die Tür wieder hinter sich an. Schnell ging er hinter den Holzkisten in Deckung. Wasser tropfte von seinen Haaren auf den Boden.
Die hölzernen Fensterläden des Raumes waren verschlossen, dennoch herrschte keine völlige Dunkelheit. Anscheinend hatte einer der Kerle die Öllampen gefunden, die im hinteren Teil der langen Halle an den gegenüberliegenden Wänden angebracht waren. Dort befand sich auch ein Schreibtisch, an dem die Lageristen den Bestand aufnahmen und Frachtpapiere zusammenstellten. Enris war bisher nie hier drinnen gewesen, weil das Gebäude einer anderen Kaufmannsfamilie gehörte, aber letztendlich ähnelten all diese Hallen einander. Er hörte die Stimmen der Einbrecher. Wenn er irgendetwas für den Jungen tun wollte, musste er näher an die Männer heran, um zu verstehen, worüber sie redeten und was sie
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