Runlandsaga - Sturm der Serephin
Augen auf.«
In diesem Moment entdeckte Enris die Bleigewichte auf dem untersten Regalbrett. Anscheinend hatte sie jemand dort hingelegt, um die Waage zu beschweren, die vor dem Schreibtisch auf dem Boden stand. Es waren mehrere dunkle Blöcke in verschiedenen Größen, auf die mit weißer Farbe Gewichtsangaben gemalt worden waren. Enris nahm einen der Kleineren und wog ihn in der Hand. Ein gutes Wurfgeschoss, aber als Waffe ungeeignet. Damit würde er höchstens einen ausschalten können, bevor die anderen ihn angriffen. Er brauchte etwas Besseres. Etwas wie ...
Enris griff sich zwei weitere Gewichte und trat an den Rand des Regals.
»Hat er etwas zu euch gesagt?«, verlangte Sareth zu erfahren.
»Nein, er bekam kein Wort heraus«, antwortete der Junge.
»Das führt doch zu nichts!«, rief Doran aus, an Sareth gewandt. »Das Balg hat uns offensichtlich nichts zu erzählen, was wir nicht auch schon in den Wirtshäusern gehört hätten. Wenn es stimmt, was man dort sagt, dann ist er jetzt in der Festung bei der Heilerin.«
Mirad sog an seiner Pfeife.
»Trotzdem wäre mir lieber, wenn wir unserem Auftraggeber etwas Neues zu berichten hätten.« Er zog ein Messer aus dem Gürtel und legte die Pfeife auf den Tisch. Sareth trat wortlos zu Seite und beobachtete, wie sein Kamerad dem Jungen das Messer vors Gesicht hielt. Der Kleine wich auf dem Stuhl so weit zurück, wie er konnte. Sein verängstigter Blick irrte zwischen den Männern hin und her und richtete sich dann auf Enris im Hintergrund, der die Hand hob.
»Wenn dir noch irgendetwas Wichtiges einfallen sollte, dann ist jetzt der richtige Augenblick, es auszuspucken!«, sagte Mirad drohend.
»Du hast es gehört!«, setzte Sareth hinzu. »Mach‘s Maul auf, oder du öffnest es nie wieder!«
In diesem Augenblick knallte eines der Bleigewichte auf den Tisch und fegte die Öllampe zu Boden. Das Tongefäß zersplitterte mit lautem Klirren, während seine Flamme verlosch. Sofort wurde es dunkler im Raum. Doran und Sareth schrien fast gleichzeitig auf vor Schreck. Mirad sprang zur Seite. Gleich darauf schleuderte Enris sein zweites Wurfgeschoss gegen die Öllampe an der ihm gegenüberliegenden Wand und verfehlte sie. Das Bleigewicht prallte von den Brettern ab und landete zu Mirads Füßen.
»Hierher, Junge!«, brüllte Enris. »Zu mir!«
Sareth riss den Kopf herum, als er die fremde Stimme hörte. Der Kleine sprang vom Stuhl. Doran versperrte ihm den Weg, aber der Junge wich ihm blitzschnell aus, sodass sein Griff die Haare des Kindes verfehlte.
Enris warf das dritte Gewicht über den Jungen hinweg, der auf ihn zulief, und vorbei an Sareth und Mirad, die ihm mit wütendem Gebrüll folgten. Er achtete nicht darauf, ob er diesmal getroffen hatte, sondern drehte sich im selben Moment um, in dem das Wurfgeschoss seine Hand verließ, und stürmte auf die letzte Öllampe zu, die an der anderen Längswand der Halle befestigt war. Hinter sich hörte er ein Klirren. Die einzige Lichtquelle im Raum war nun die Lampe vor ihm. Er sprang mit einem wilden Satz auf sie zu, erblickte aus dem Augenwinkel den Jungen neben sich und ergriff dessen Arm. Dann riss er die Öllampe von ihrem Haken und warf sie zu Boden. Sofort war es stockdunkel in der Halle. Er zog den Kleinen mit sich zur Seite und prallte schmerzhaft gegen eine der Kisten, die an der Wand standen. Gleichzeitig hörte er polternde Schritte neben sich, gefolgt von einem dumpfen Schlag und lautem Fluchen.
»Au, verdammt!«
»Halt‘s Maul, du Schwachkopf!«
Das war Sareth. Seine Stimme bebte vor Wut. Enris vernahm ihn dicht neben sich und dem Jungen. Er konnte nur wenige Fuß entfernt sein.
»Hört auf, Lärm zu machen! Sie sind nicht weit weg!«
Aus dem hinteren Teil der Halle hörte Enris Torons Stimme.
»He, was ist denn bei euch los?«
»Bleib an der Tür, hörst du?«, brüllte Sareth. »Lass ja niemanden vorbei! Hier ist noch jemand außer dem Jungen!«
Enris und das Kind standen stocksteif in der Dunkelheit. Der junge Mann bewunderte den Kleinen für dessen schnelles Handeln. Er hatte Arvids Sohn mit keinem Wort erklären müssen, worauf es nun ankam. Sie mussten so leise wie möglich Abstand zwischen sich und ihre Verfolger bekommen.
Er ließ den Arm des Jungen los. Seine tastenden Finger fanden im Dunkel eine kleine Hand und drückten sie fest. Das Kind drückte zurück. Enris beugte sich vor. Sein Mund berührte beinahe das Ohr des Kleinen.
»Lass nicht los!«, flüsterte er, so leise es ihm trotz
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