Runlandsaga - Sturm der Serephin
jetzt in den Taschen herumträgst und versäufst, noch mehr zu holen sein könnte?«
Doran zog es vor, den Mund zu halten.
»Also, erledigen wir endlich unsere Arbeit, wenn das nicht zuviel von dir verlangt ist, und vielleicht springt sogar noch mehr für uns dabei heraus. Toron, geh zur Tür und pass auf, dass uns niemand stört!«
Der Mann rechts von Sareth nickte und drehte sich um. Er sah hager, aber kräftig aus. Dunkle Bartstoppeln standen von seinem Kinn ab wie Igelstacheln. Enris‘ Herz klopfte ihm heftig bis in den Hals, als er einen Lidschlag lang glaubte, Toron würde auf dem Weg zum Eingang der Halle unmittelbar an ihm vorbeikommen. Stattdessen jedoch ging er um einige Kisten herum und schritt dann an der Wand entlang, die Enris gegenüberlag. Der junge Mann duckte sich tiefer hinter das Regal, das ihm als Deckung diente.
»Also, Kleiner!«, wandte Sareth sich an den Jungen. »Wir haben nicht viel Zeit. Erzähl mir genau, was du über den Fremden weißt, den ihr heute Morgen am Strand gefunden habt: Wo lag er, war jemand bei ihm, hat er irgendwas zu euch gesagt?«
»Warum wollt Ihr das denn wissen?«, fragte der Junge. Seine Stimme klang hoch und ängstlich.
»Weil wir dich sonst im Hafenbecken versenken, deshalb!«, herrschte Doran ihn an. »Frag nicht so blöd!«
»Du hast es gehört!«, bekräftigte Sareth. »Red schon!«
Enris überlegte fieberhaft. Der Fremde am Strand – um ihn ging es hier also! Irgendjemand hatte mitbekommen, dass er von den Kindern gefunden worden war, und hatte diese Halsabschneider angeheuert, um mehr darüber herauszufinden. Aber warum? Was war an diesem Unbekannten so Besonderes, dass man eine Bande Schläger beauftragte, diejenigen auszupressen, die mit ihm zu tun gehabt hatten?
Im selben Moment durchzuckte ihn ein Gedanke. Margon und Thaja! Der Fremde hielt sich bei ihnen auf – sie schwebten in Gefahr!
»Da – da war niemand anderes zu sehen ...«, begann der Junge zögernd. Sein Gesicht war kalkweiß. »Er war allein.«
»Es war niemand sonst am Strand?«, fragte Mirad. Er hatte sich zu dem Kind hinuntergebeugt. Bei seinen Worten quoll ihm Pfeifenrauch aus dem Mund und wehte den Jungen an, der das Gesicht verzog und heftig den Kopf schüttelte.
»Niemand!«
»Lag er genau am Ufer?«, wollte Sareth wissen. Die Stirn in seinem lang gezogenen Gesicht war in Falten gelegt.
Der Kleine nickte, und in diesem Moment sah er, als er an dem Anführer der Männer vorbeischaute, Enris unmittelbar in die Augen. Der Blick des Kindes wurde starr vor Überraschung.
Dem jungen Mann in seinem Versteck war, als würde ihm ein Schwall Eiswasser den Rücken hinablaufen. Aber weder die beiden Kerle noch ihr Khor entdeckten in dem Gesicht des Jungen etwas anderes als Furcht vor ihnen.
»Was ist?«, fragte Sareth. »Ist dir noch was eingefallen?«
»Äh – ich hab nur versucht, mich an alles richtig zu erinnern«, stammelte der Junge. »Er lag mit nassen Kleidern genau an der Wasserlinie, deshalb dachten wir auch, er wäre ein Schiffbrüchiger.«
Während er sprach, schaute er mit gesenktem Kopf an Sareth vorbei, als wolle er es vermeiden, dem Mann in die Augen zu sehen. In Wirklichkeit irrte sein Blick mehrmals zu Enris hinüber, der den Zeigefinger der rechten Hand auf den Mund legte.
Enris zog den Kopf wieder hinter das Regal zurück. Arvids Sohn hielt sich tapfer. Er hatte sich nicht durch seine Überraschung verraten. Nun wusste er, dass noch jemand anwesend war. Wenn es darauf ankäme, würde er deshalb schneller handeln, als wenn er sich alleine wähnte.
Enris fuhr sich aufgeregt mit dem Handrücken über die staubtrockenen Lippen. Ihn durchzuckte der verrückte Gedanke, dass dies der einzige Teil seines Körpers sein musste, der nicht völlig durchnässt war. Er widerstand dem Drang, den Kopf zu schütteln, als hätte jemand anders neben ihm diese Idee geäußert. Dies war der falsche Augenblick, um solchem Unsinn nachzuhängen! Die Zeit drängte.
Er musste etwas unternehmen, bevor die drei damit aufhörten, den Kleinen auszuquetschen, und sich stattdessen überlegten, wie sie ihn wieder loswerden konnten. Er bezweifelte, dass sie ihn einfach so gehen lassen würden – dann hätten sie bestimmt nicht so sorglos ihre Namen vor ihm ausgesprochen.
»War der Kerl während der ganzen Zeit bewusstlos?«, hörte er Sareth weiter fragen.
»Nein«, antwortete der Junge. »Einer von uns hat ihn geschüttelt, um zu sehen, ob er noch am Leben sei, und da schlug er die
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